am Puls Biologie 8, Schulbuch

88 Im Osten Afrikas setzte sich der Trend zu immer größeren Gehirnen fort. Dort entstand der mo- derne Mensch, Homo sapiens 1 , mit einer durch- schnittlichen Gehirngröße von 1 300–1 400 cm 3 . Der Homo neanderthalensis , oder Neandertaler, der mit dem modernen Menschen eng verwandt ist, erreichte jedoch ein noch größeres Gehirnvo- lumen von 1 500 cm 3 . Erste Knochen der Neander- taler wurden bereits 1856 im Tal der Neander bei Düsseldorf gefunden, daher stammt der Name. Die Neandertaler waren robuster gebaut als der moderne Mensch. Sie fertigten verschiedenste Waffen, kümmerten sich um Kranke und Verletz- te und bestatteten ihre Toten mit Grabbeigaben. Sie starben vor etwa 40 000 Jahren aus. Welche Ursache die Zunahme der Gehirngröße bei Homo hatte, ist nach wie vor ungeklärt. Man- che Wissenschafter und Wissenschafterinnen se- hen die Ursache in der verbesserten Zufuhr von Proteinen mit der Nahrung, über Fisch, Fleisch oder gekochte Wurzeln. Möglicherweise spielte das Kochen der Nahrung eine wichtige Rolle, da dadurch die Energie, die in der Nahrung steckt, besser erschlossen wird. Andere denken, dass es von Vorteil war ein leistungsfähiges Gehirn zu haben, da dies ein besseres soziales Zusammen- leben in der Gruppe sowie eine bessere Kommu- nikation innerhalb der Gruppe ermöglichte. Warum das Gehirn des modernen Men- schen so groß wurde wie es heute ist, ist nach wie vor unge- klärt Stoff- und Energieumwandlung Die Wurzeln des modernen Menschen, Homo sapiens , liegen in Ostafrika Homo sapiens breitet sich über die Erde aus Molekulargenetische und archäologische Unter- suchungen zeigen, dass der moderne Mensch Homo sapiens von einer eher kleinen Gruppe von Vorfahren abstammt, die vor rund 300 000 Jahren in Nord- und Ostafrika lebten. Anschließend brei- tet sich Homo sapiens rasch über ganz Afrika aus. Es wird vermutet, dass Homo sapiens das Wandern begann, weil Klimaveränderungen, vor allem Dürren, ihn dazu drängten oder weil die Bevölkerungszahl wuchs, so dass er neuen Le- bensraum suchte. Von Afrika ausgehend breitete er sich weiter, ähnlich wie zuvor Homo erectus , in mehreren Wellen über die Erde aus ( k Abb. 9). Wo er hinkam hinterließ er Spuren. Dazu gehö- ren neben feiner bearbeiteten Stein- und später Bronzewerkzeugen auch Höhlenmalereien, Fels- ritzungen, Schnitzereien und natürlich mensch- liche Knochen. Die ältesten europäischen Funde von Homo sapi­ ens stammen aus Griechenland und wurden 2019 entdeckt. Diese Funde dokumentieren, dass H. sapiens bereits vor 210 000 Jahren in Europa lebte. Die damalige Besiedlung scheint aber nicht von Dauer gewesen zu sein. Genetische Da- ten weisen darauf hin, dass nahezu alle heute le- benden Menschen in Europa und Asien von einer Population abstammen, die diese Kontinente viel später, vor etwa 50 000–70 000 Jahren, besiedelte. Als diese erneute Migrationswelle Europa er- reichte, war hier allerdings bereits der Neander- taler, ein Nachfahre des Homo erectus , verbreitet. Der moderne Mensch verdrängte die Neander- taler innerhalb von weniger als 10 000 Jahren – allerdings nicht, ohne sich vorher in Vorderasien und Europa mit ihnen zu verpaaren. Der Ver- gleich von Neandertaler-DNA aus fossilen Kno- chen und Zähnen mit der DNA heutiger Europäer und Asiaten, den Forscher und Forscherinnen 2010 angestellt haben, belegt, dass H. sapiens sich mit H. neanderthalensis fortgepflanzt hat. Jede und jeder von uns Europäerinnen und Euro- päern trägt daher 2–4% Neandertalergene in sich. Bis zu diesem interessanten Ergebnis war man davon ausgegangen, dass H. sapiens und H. neanderthalensis zwei klar abgegrenzte Arten darstellen. Tatsächlich ist aber die Artabgren- zung bei frühen Menschenarten nicht immer so eindeutig. Demzufolge werden der moderne Mensch und der Neandertaler nun eher als Un- terarten einer gemeinsamen Art betrachtet. Homo sapiens zeug- te mit dem Neander- taler Nachkommen. Abb. 8: Schädel eines Neandertalers (links) und eines modernen Menschen (rechts) Glossar 1 Homo sapiens : „weiser Mensch“, vom Latei- nischen sapere = Verstand haben Aufgabe W 1 Wiederhole die unterschiedlichen Artkonzepte im Kapitel Evolutionsbiologie, und argumentiere, warum man den Neander- taler und den modernen Menschen ursprüng- lich als zwei, nunmehr aber eher als eine ge- meinsame Art ansieht. Basiskonzept Stoff- und Energieumwandlung: Alle menschlichen Populationen, die heute existieren, essen auch gekochtes Essen. Durch das Kochen wird ein größerer Anteil der ent- haltenen Energie zugänglich gemacht wer- den. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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