am Puls Biologie 8, Schulbuch

84 Dass unsere menschlichen Vorfahren bereits auf- recht gehen konnten, bevor ihre Gehirne so groß wurden wie unsere heute sind ( k S. 87), wissen wir unter anderem dank eines besonders gut er- haltenen menschlichen Fossils, das den Namen „Lucy“ bekommen hat. Dabei handelt es sich um die Skelettüberreste eines weiblichen Vormen- schen der Art Australopithecus afarensis 1 , die 1974 in der äthiopischen Wüste ausgegraben wurden. Australopithecus besiedelte vor vier bis zwei Millionen Jahren die Steppen Ost- und Süd- afrikas. Von Lucy sind der Schädel und das halbe Becken sowie viele weitere Knochen gut erhalten ( k Abb. 2). Aufgrund gewisser Merkmale dieser Knochen wissen wir, dass Australopithecus be- reits auf zwei Beinen gehen konnte, und zwar nicht nur für ein paar Schritte wie Schimpansen, sondern dauerhaft und stabil. Lucy war recht klein – sie war nur etwas über einen Meter groß – und hatte ein Gehirn, das im Verhältnis zu ihrem restlichen Körper nicht größer war als das heutiger Menschenaffen. Ein weiterer spektakulärer Fund bestätigte, dass sich der aufrechte Gang vor dem großen Gehirn entwickelt hatte. Bei Laetoli in Tansania wurden 1976 von der Forscherin Mary Leakey 2 und ihrem Team versteinerte Fußspuren zweier Hominiden gefunden, vermutlich von Australopithecus afa­ rensis . Die beiden Frühmenschen gingen neben- einander über eine frische Schicht vulkanischer Asche, und hinterließen darin Abdrücke, die er- halten blieben. Obwohl sie fast vier Millionen Jahre alt sind, ähneln sie Fußabdrücken von modernen Menschen. Den Abdrücken fehlt die bewegliche große Zehe der Menschenaffen – stattdessen hat der Ab- druck ein Fußgewölbe wie unsere Füße es haben ( k Abb. 3). „Lucy“ ist ein Vor- mensch der Gattung Australopithecus , der bereits aufrecht gehen konnte Abb. 2: „Lucy“, ein weiblicher Frühmensch der Art Australopithecus afarensis . Von ihrem Skelett blieben 40% erhalten. Lucy lebte vor etwa 3,2 Millionen Jahren. Abb. 3: Die berühmten Fußabdrücke aus Laetoli, Tansania. Zwei Individuen der Art Australopithecus afarensis hinterließen vermutlich ihre Abdrücke in Vulkanasche. Diese Funde klärten die große Frage, ob in der Evolution des Menschen zuerst das große Gehirn oder der aufrechte Gang entstanden sind. Der aufrechte Gang entwickelte sich vor dem größeren Gehirn Glossar 1 Australopithecus afarensis : Der Name bedeu- tet „südlicher Affe von Afar“ und verweist auf die Afar-Region in Äthiopien, den Fundort zahlreicher Fossilien, unter anderem von A. afarensis . 2 Mary Leakey : Mary und ihr Mann Louis Leakey führten Ausgrabungen in Kenia und Tansania durch und entdeckten unzählige Fossilien von frühen Hominiden. Ihr Sohn Richard und dessen Frau Meave setzten die Arbeit später fort. Ohne die Anstrengungen der Leakey-Familie wüssten wir viel weniger über unsere Abstammung. Aufgaben E 1 Manche Forscherinnen und Forschern denken, dass der kleinere der beiden Vormen- schen, der in Laetoli Fußabdrücke hinterließ, ein Kind auf der Hüfte getragen hat. Die Ver- mutung hat mit der Beschaffenheit der Fuß- abdrücke, insbesondere mit der Abdrucktiefe, zu tun. Sieh dir Abb. 3 genau an und leite ab, was die Ursache für diese Vermutung sein könnte. E 2 Über die Ursache der Evolution des aufrechten Gangs gibt es unterschiedliche Hypothesen und kein wirkliches Einverneh- men in der Fachwelt. Formuliere selber eine Hypothese, welchen Vorteil der aufrechte Gang Frühmenschen gebracht haben könnte. Sammelt Vorschläge in der Klasse und bewer- tet gemeinsam die Ideen. Recherchiert an- schließend, welche Hypothesen Wissenschaft- ler und Wissenschaftlerinnen für plausibel halten. Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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