am Puls Biologie 8, Schulbuch

68 Das Entstehen von Darwins Evolutionstheorie Bis ins 19. Jahrhundert dachte man, dass ein gött- licher Akt der Schöpfung die biologische Vielfalt geschaffen hätte, und dass die Arten konstant wären, sich also nicht verändern. Im Jahr 1766 äußerte George Buffon 1 die Ver­ mutung, dass Fossilien Vorgänger von lebenden Tieren sind und stellte die Konstanz der Arten in Frage. Er zweifelte auch an der damals gängigen Annahme, die Erde sei nur ca. 6 000 Jahre alt. Georges Cuvier 2 verglich um 1 800 die Baupläne der Tiere miteinander, und kam so zu der Er- kenntnis, dass es mehrere unterschiedliche Baupläne gibt, und dass Arten auch aussterben können. Er maß Massenaussterben eine große Bedeutung zu, war jedoch von der Konstanz der Arten überzeugt. Jean-Baptiste Lamarck 3 formulierte Anfang des 19. Jahrhunderts eine erste Theorie des Arten- wandels: Tiere würden sich verändern, je nach- dem wie sie ihre Körper benutzten. Viel genutzte Strukturen würden sich vergrößern, wenig ge- nutzte verkümmern. Laut Lamarck erwerben die Nachkommen diese Änderungen von ihren El- tern. So erfolgte über Generationen hinweg eine Anpassung an die Umwelt. Weil diese Vorstellung aber nicht mit den später bekannten Vererbungs- mechanismen in Einklang zu bringen war, wurde der Lamarckismus zu großen Teilen wieder ver- worfen. Heute kennt die Genetik allerdings tat- sächlich mehrere Mechanismen, wie erworbene Merkmale von Eltern über mehrere Generationen an ihre Nachkommen weitergegeben werden können – mit diesen Mechanismen beschäftigt sich die Epigenetik ( k S. 29). Als junger Mann unternahm der britische Natur- forscher Charles R. Darwin 4 eine ausgedehnte Expeditionsfahrt an Bord eines Schiffs, der Bea­ gle. Das Ziel dieser Expedition war es, die Küsten von Südamerika zu vermessen und anschließend über Australien und Afrika wieder nach England zurückzukehren. Die Reise sollte schließlich fünf Jahre dauern (1831–1836). Darwin legte auf sei- ner Reise umfangreiche Sammlungen von bis dahin in Europa völlig unbekannten Tier- und Pflanzenarten an und hielt seine Beobachtungen und theoretischen Überlegungen detailliert fest. Unter anderem studierte er die Vielfalt nah ver- wandter Finkenarten auf den Galapagos-Inseln. Er vermutete, dass sie alle von einer kleinen Siedlergruppe vom Festland abstammen. Er be- obachtete weiters, dass Südamerika von anderen Tieren bevölkert war als Europa, diese aber ähn- liche Anpassungen an ihre Habitate zeigten wie die Tiere Europas. Nach seiner Rückkehr beschäftigte er sich inten- siv mit den Beobachtungen der Reise und entwi- ckelte die Idee der Veränderlichkeit der Arten. Er hatte unter den Nachkommen einer Art geringfü- gige Unterschiede bemerkt – eine Variabilität be- stimmter Merkmale. Er vermutete, dass je nach Umweltbedingungen die Bestangepassten am häufigsten überleben und ihre Merkmale weiter- vererben können („ survival of the fittest “). In der Evolutionstheorie, die er schließlich formulierte, ist die natürliche Selektion oder Auslese der ent- scheidende Mechanismus. Darwin war sich bewusst, dass seine Evolutions- theorie als provokant empfunden würde. Er woll- te daher vor der Veröffentlichung seiner Ideen so viele Beweise wie möglich anhäufen. Als ihm dann aber Alfred R. Wallace 5 in einem Brief von dessen eigenen Beobachtungen und von sehr ähnlichen Schlussfolgerungen berichtete, be- schloss er, seine Theorie sofort zu veröffentli- chen. Darwin publizierte also 1859 – mehr als 20 Jahre nach seiner Reise auf der Beagle – das Werk „ On the Origin of Species by Means of Natural Selection “. Sein Buch wurde ein Bestsel- ler und eines der einflussreichsten wissenschaft- lichen Werke aller Zeiten. Es dauerte allerdings einige Zeit, bis die damalige Fachwelt Darwins revolutionäre Ideen über die Evolution allgemein akzeptierte. Der Lamarckismus geht von der Ver­ erbung erworbener Merkmale aus, diese Theorie hat sich nicht bestätigt Der Darwinismus postuliert die Ver­ erbung von Merk­ malen, die durch die natürliche Selektion begünstigt wurden Abb.11: Charles Darwin Glossar 1 George-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), französischer Naturforscher 2 Georges Cuvier (1769–832) französischer Zoo- loge und Paläontologe 3 Jean-Baptiste Lamarck (1744–1822), franzö­ sischer Botaniker und Zoologe 4 Charles Robert Darwin (1809–1882), britischer Naturforscher 5 Alfred Russell Wallace (1823–1913), britischer Naturforscher und Geograf Aufgabe W/S 1 Recherchiere die Reaktion der dama- ligen Gesellschaft auf die Veröffentlichung von Darwins Werk “The Origin of Species”. Diskutiere, ob wissenschaftliche Werke auch heute noch ähnliche Reaktionen hervorrufen können. 3.2 Mechanismen der Evolution Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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