am Puls Biologie 8, Schulbuch

29 Grundlagen der Genetik 1.9 Epigenetik Umweltfaktoren können die Genaktivität beeinflussen Lange Zeit war es die gängige Lehrmeinung, dass die DNA alleine festlegt, welche Proteine und damit welche Merkmale eine Zelle ausbildet. Jüngere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass auch Umweltfaktoren auf die Genregulation wirken, in dem sie die DNA biochemisch verän- dern. Dieses junge Forschungsgebiet wird als Epigenetik 1 bezeichnet. Damit ein Gen abgelesen werden kann, muss es für die RNA-Polymerase zugänglich sein. Im Chro- matin ist die DNA um Histonproteine gewickelt. Transkription ist nur möglich, wenn die DNA rela- tiv locker gepackt ist. Nun ist es so, dass die Pa- ckungsdichte durch chemische Veränderung von DNA-Bereichen beeinflusst werden. Eine Variante dieser Veränderung ist die Methy­ lierung von DNA oder Histonen ( k Abb. 21 a). Die- ses Anhängen von Methylgruppen (–CH 3 ) bewirkt eine stärkere Spiralisierung der DNA und damit das Abschalten der betroffenen Gene. Eine gegenteilige Wirkung hat die Acetylierung von Histonen ( k Abb. 21 b). Dabei werden Acetyl- gruppen (–C(O)CH 3 ) an die DNA oder Histone an- gehängt, was die Spiralisierung verringert und das Ablesen betroffener Gene fördert. Methyl- und Acetylgruppen bilden auf der DNA-Doppelhelix bzw. auf den Histonen ein typi- sches Muster. Dieses Muster wird als Epigenom der Zelle bezeichnet – es bestimmt die Genex- pression der Zelle. Umwelteinflüsse beeinflussen also, wie die DNA abgewandelt und damit die Regulation der Genaktivität beeinflusst wird. Diese Änderungen werden auch bei Mitosen von Zelle zu Zelle weitergegeben. Wir können also die Genexpression durch unsere persönliche Lebensweise beeinflussen. Natürlich sind viele unserer Merkmale von der Umwelt kaum zu steuern, etwa die Blutgruppe. Andere Merkmale sind sehr wohl von der Umwelt regu- lierbar – doch in welchem Ausmaß? Gerade bei sehr komplexen Merkmalen wie zB Intelligenz, Talent, Übergewicht oder der Anfäl- ligkeit für Krankheiten ist es sehr schwierig zu er- mitteln, wie weit diese erblich sind und welchen Einfluss Umweltbedingungen nehmen können. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Er- nährung, Erziehung, Sport oder starkem Medien- konsum und der genetischen Aktivität eines Menschen? Derartige vielschichtige Fragstellun- gen lassen sich nur durch umfgangreiche For- schungsprojekte beantworten. Neben den Veränderungen an der DNA gibt es auch Forschungsergebnisse, die darauf hindeu- ten, dass auch RNA epigenetisch wirksam ist. So genannte microRNAs können an mRNAs binden und so die Proteinsynthese hemmen. Eine weitere spannende Frage betrifft die Verer- bung epigenetischer Änderungen. Grundsätzlich ist es so, dass das Epigenom während der Meio- se wieder gelöscht wird. Man könnte auch sagen, dass auf diese Weise der nächsten Generation ein Neustart ermöglicht wird. Doch überraschen- derweise ist diese „Reinigung“ des Genoms un- vollständig, und so werden manche der erwor- benen Markierungen über die Eizelle oder die Spermienzelle vererbt. Die Zygote ist also epi- genetisch kein ganz „unbeschriebenes Blatt“, sondern hat bereits einen väterlichen und einen mütterlichen Stempel. Sie ist „genomisch ge- prägt“. Man nennt dieses Phänomen Imprinting . Dieser Teilbereich der Epigenetik wird gegen- wärtig sehr aktiv beforscht. Epigentische Ände- rungen sind chemi- sche Modifikationen der DNA, die die Aktivität der Gene beeinflussen Steuerung und Regelung Methylreste verdichten, Acetylreste lockern auf. —C(O)C H 3 Acetylgruppe —C H 3 Methylgruppe Histone DNA-Doppelhelix Chromatin Abb. 21: Epigenetik. Je nach Art der Modifikation wird die DNA stärker oder weniger stark verdichtet und damit die Aktivität der Gene beeinflusst. Glossar 1 Epigenetik , vom Griechischen epi für dazu oder darüber. Aufgabe E 1 Zwillingsforschung: Um herauszufin- den, inwieweit Umweltfaktoren Einfluss auf erbliche Merkmale haben, versucht man ein- eiige und zweieiige Zwillinge miteinander zu vergleichen. Erstelle eine Hypothese, wie die Zwillingsforschung helfen kann, epigeneti- sche Änderungen nachzuweisen. Basiskonzept Steuerung und Regelung: Das Epige- nom erteilt gewissermaßen Leserechte für bestimmte Gene. Je nach Art der epigene- tischen Änderung (Methylierung oder Ace- tylierung) werden genetische Programme gestartet oder blockiert. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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