am Puls Biologie 8, Schulbuch

137 Bio- und Gentechnik Blick in die Forschung CRISPR/Cas9: Anwendung in Embryonen Genomeditierung gegen Unfruchtbarkeit? Manche Paare können auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen. Einige entscheiden sich dann für die In-Vitro-­ Fertilisation (IVF; siehe Band 6). Doch selbst diese Methode funktioniert nicht immer. Eine Forschungsgruppe um Kathy Niakan vom britischen Fran- cis Crick Institut hatte den Verdacht, dass dies an einem ganz bestimmten Gen liegen könnte: OCT4 1 . Dieses Gen wird in den ersten Tagen der Embryonalentwicklung angeschaltet. Niakan und ihre Gruppe fanden heraus, dass sich nur in Anwesenheit des OCT4 -Proteins ungefähr sieben Tagen nach der Befruch- tung aus der Morula eine Blastozyste bildet (siehe auch Band 6). Dabei handelt es sich um ein kugelförmiges, flüssigkeits- gefülltes Gebilde, in dem sich die Embryo-Zellen an einem Pol befinden ( k Abb. 29). Methodik Für ihre Forschung hatte die Arbeitsgruppe 41 Embryonen ge- nutzt, die bei IVF-Behandlungen übriggeblieben waren und deren Eltern sie der Forschung zur Verfügung gestellt hatten. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter schalteten OCT4 bei einem Teil von ihnen mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Methode aus ( k S. 136). „Nach sieben Tagen wurde die Embryonalent- wicklung gestoppt und die Embryonen analysiert“ (Zitat aus der Pressemeldung des Francis-Crick-Instituts vom 20.9.2017). Es zeigte sich, dass keine lebensfähigen Blastozysten gebildet werden, wenn OCT4 verändert ist. Therapiemöglichkeiten Diese Ergebnisse könnten erklären, warum manche Paare nicht schwanger werden. Möglicherweise könnte aufgrund dieser Erkenntnis eine Gentherapie entwickelt werden, mit deren Hilfe das mutierte Gen in Eizelle oder Spermium oder im Embryo gegen eine funktionierende Variante ausgetauscht wird. Nach Ansicht der beteiligten Forscherinnen und Forscher sind die Ergebnisse zudem für die Stammzellforschung von Bedeu- tung, da man nun ein Gen identifiziert habe, dass für die frü- he Zellorganisation entscheidend sei. Bioethische Kritik Bioethisch ist diese Forschung in mehrfacher Hinsicht diskus- sionswürdig: •• Es werden Embryonen getötet. •• Es werden Embryonen genetisch verändert, also – je nach Ansicht – Menschen, die nicht selbst darüber befinden kön- nen, ob sie diesen Eingriff wollen. •• Sollte es zu Gentherapieversuchen an Eizellen oder Spermi- en kommen, würde direkt in die Keimbahn eingegriffen, also Geschlechtszellen verändert. Das hieße, dass eine Gen- veränderung vererbt werden würde – was sogar von vielen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern abgelehnt wird. Abb. 29: In Embryonen mit funktionierendem OCT4 -Gen bildet sich eine reguläre Blastozyste mit ca. 200 Zellen. Abb. 30: Kathy Niakan erforscht am Francis-Crick-Institut in London die genetische Steuerung des Zellwachstums während der frühen embryonalen Entwicklung. Glossar 1 OCT4 : Gen auf Chromosom 6 (beim Men- schen), steht für „Oktamer-bindender Tran- skriptionsfaktor“: Ein Transkriptionsfaktor ist ein Protein, das die Transkription eines Gens in Gang setzt oder verhindert; Oktamer be- deutet achtteilig. In diesem Fall bindet das OCT4 -Protein an die Basensequenz ATGCAAAT in Promoterregionen des Genoms und akti- viert dadurch die Transkription der Gene, die an diese Basenabfolge anschließen. Aufgaben W 1 Welche Inhalte aus den Themensei- ten stecken hinter diesem Experiment? S 2 Nimm Stellung zu dem Absatz „Bio- ethische Kritik“ und begründe deine Haltung. S 3 Sprache kann viel über eine Haltung aussagen. Analysiere diesbezüglich das Zitat im obigen Text: Was bedeuten „gestoppt“ und „analysiert“ für den Embryo? Welches Em- bryonenbild steckt hinter dieser Aussage? S 4 Suche im Internet nach (möglichen) Anwendungen für CRISPR/Cas. Stelle Vor- und Nachteile dieser Anwendungen in biologi- schen, sozialen und ethischen Aspekten ge- genüber. Diskutiert in Gruppen, inwieweit diese Anwendungen eurer Meinung nach zum Einsatz zugelassen werden sollten. Literatur Fogarty, N.M. E.; Carthy, A.; Snijders, K. E; et. al.: Genome editing reveals a role for OCT4 in human embryogenesis. In: Nature. 2017, H. 550, S. 67–73. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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