am Puls Biologie 8, Schulbuch

135 Bio- und Gentechnik Sterbehilfe – Erlösen vom Leid oder gesellschaftlich akzeptierte Tötung? Bioethik beschäftigt sich nicht nur mit Gentech- nik, obwohl die Gentechnik-Debatte regelmäßig den Weg in die Schlagzeilen findet. Ein ganz an- derer Bereich, der seit einigen Jahren immer wie- der diskutiert wird, betrifft das Recht auf Leben . Krankheit, Leiden, Sterben, Tod – ständig wird der Mensch damit konfrontiert. Und jedes Mal stellt sich ihm (und seiner Umgebung) die Frage, wie damit umzugehen ist. Im Nationalsozi- alismus wurden als „unwert“ bezeichnete Men- schen in so genannten Euthanasieprogrammen getötet. Das Erbgut der deutschen Reichsge- meinschaft sollte „verbessert“ werden. Nur noch starke und gesunde Diener und Dienerinnen des Führers sollten existieren. Heutzutage befürchten manche eine Wiederkehr dieses Euthanasiegedankens – versteckt unter dem Deckmantel der Eigenverantwortlichkeit. In vielen Ländern gibt es beispielsweise eine De- batte darüber, ob Menschen, die unheilbar krank sind und unter sehr starken Schmerzen leiden, sich mit Hilfe eines Arztes oder einer Ärztin um- bringen dürfen ( assistierter Suizid ). Eigentlich ist dies Ärztinnen und Ärzten unter- sagt. Studien, etwa für den US-amerikanischen Bundesstaat Oregon, zeigen zudem, dass eher sehr alte und noch dazu oft depressive Men- schen Sterbehilfe in Anspruch nehmen – obwohl laut Gesetz bei psychischen Problemen tödliche Mittel nicht verschrieben werden dürfen. Man- che von ihnen wollten offenbar ihren Angehöri- gen nicht zur Last fallen. Alternativen bieten die Palliativmedizin , die mit individueller Betreuung und Medikamenten das Leiden zu mildern sucht; die Hospizbewegung , die das natürliche Sterben in Begleitung ermög- licht; die bessere Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und Krankheiten sowie ihrer pflegenden Angehörigen ( k Abb. 25). Sind Behinderungen oder Krankheiten Grund genug, dem Leben ein Ende zu setzen? Abb. 25: Eine alte kranke Frau und ihre Betreuerin. Wie viel ist es uns wert, kranken Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen? Ist Assistenz zum Suizid in Österreich erlaubt? Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beant- worten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob der Ge- setzgeber bei dieser Haltung bleibt. Einige Inter- essensgruppen und Politiker setz(t)en sich für den assistierten Selbstmord ein. Bisher wurden diese Vorstöße abgelehnt, zuletzt im Januar 2019. In einigen Ländern (zB Belgien und Holland) sowie in manchen Bundesstaaten der USA ist die Assistenz zum Suizid mittlerweile straffrei, teilweise sogar für Jugendliche und Kinder ( k Abb. 26). In Deutschland wird immer wieder intensiv darüber diskutiert. Derzeit gilt dort fol- gende Regelung: Die „Beihilfe zur Selbsttötung“ mit Hilfe einer Person, die ein Mittel zum Suizid bereitstellt, ist nicht strafbar, wenn die oder der Betroffene das Mittel selbst und aus freiem Ent- schluss einnimmt und wenn sich die Beihilfe auf einen Einzelfall beschränkt (weder gewerbs- noch vereinsmäßig, wie zB in der Schweiz). Aller- dings dürfen diese Mittel nicht verordnet wer- den. Es ist jedoch nicht immer leicht feststellbar, ob die betroffene Person aus freien Stücken han- delt. Vielleicht hätte sie sich zu einem anderen Zeitpunkt anders entschieden und eine Schmerz- linderung einer Tötung vorgezogen? Sterbehilfe wird international unter- schiedlich geregelt Abb. 26: Schlagzeile in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 9. 8.2018. TODKRANKE KINDER Belgien erlaubt drei Jugendlichen Sterbehilfe Aufgabe S 1 Liste Argumente für bzw. gegen Ster- behilfe auf. Du kannst diese in deinem Freun- deskreis, bei Verwandten oder im Internet sammeln oder vielleicht auch Lehrer und Lehrerinnen aus Religion, Philosophie oder Wirtschaft befragen. Begründe deine eigene Haltung dazu und diskutiert darüber in der Klasse. Nu zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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