am Puls Biologie 8, Schulbuch

116 Wie bei den Pflanzen gibt es in der Tierzucht Auslese-, Kreuzungs- und Hybridzüchtung . Letz- tere wird in der Tierzucht oft als „Gebrauchszüch- tung“ bezeichnet. Bei der Domestizierung 1 des Auerrinds vor ca. 10 000 Jahren ging es vermutlich zunächst darum, Tiere zu schaffen, die man für Arbeiten wie das Pflügen einsetzen konnte. Schließlich war das Auerrind mit den großen, spitzen Hörnern ge- fährlich. Genetische Untersuchungen eines inter- nationalen Forschungsteams lassen darauf schließen, dass die heutigen Hausrindrassen von 80 Auerrindkühen im Nahen Osten abstammen – und dass es ungefähr 2 000 Jahre dauerte, bis aus dem wilden Auerrind das weitgehend zahme Hausrind geworden war. Nach erfolgreicher Domestizierung dürften sich die Zuchtziele geändert haben: Es wuchs nun das Interesse an Fleisch- und Milchproduktion . Das brachte anatomische Veränderungen mit sich: Der Rumpf wurde länger und massiger, die Beine kürzer, das Euter voluminöser. Bei einigen Rassen sind die Hörner verkleinert. Die mit Abstand wichtigste Rasse mit ca. 1,5 Mil- lionen Tieren (76% aller Rinder) ist in Österreich das Fleckvieh ( k Abb. 3). Laut Rinderzucht Austria kann es „als milch- oder fleischbetonte Doppel- nutzungsrasse, als ausgezeichneter Kreuzungs- partner in der Mutterkuhhaltung und Fleischpro- duktion sowie als Gebrauchskreuzung für die Milchproduktion eingesetzt werden“. Das Fleckvieh ist sehr anpassungsfähig, frucht- bar und langlebig . Derzeit liegt das Augenmerk bei der weiteren Züchtung zu 38% auf der Milch-, zu 18% auf der Fleischproduktion und zu 44% auf der Fitness. Erwünscht sind Kühe mit einer Milchabgabe von mindestens 7000 Kilogramm pro Jahr und einem Gehalt von 4,2% Fett und 3,7% Eiweiß. Diese Zahlen verdeutlichen, wie stark Nutztiere zu einer Art Lebensmittelfabrik geworden sind. Das wird noch klarer, wenn du die Grafik in Abbil- dung 2 betrachtest. Die Milchleistung österreichi- scher Kühe wurde in den vergangenen Jahrzehn- ten enorm gesteigert. Das liegt allerdings auch am Kraftfutter und der intensiven Haltung (siehe Band 5). Kühe in extensiver Haltung liefern oft wesentlich weniger Milch. Die Steigerung der Milchproduktion betrug seit 1950 im Schnitt 67kg pro Kuh und Jahr. Aus dem wilden Auerrind züchtete der Mensch das Hausrind; es konnte Arbeit verrichten und ist ein wichtiger Milch- und Fleischlieferant Variabilität, Verwandt- schaft, Geschichte und Evolution Jahre 2015 2005 1995 1985 1975 10.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 Milchleistung in kg Holstein Braunvieh Fleckvieh Pinzgauer Grauvieh Abb. 2: Entwicklung der Milchleistung pro Kuh und Jahr bei verschiedenen Rassen (Quelle: Zentrale Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Rinderzüchter) . Abb. 3: Oben: Fleckvieh, unten: Braunvieh. Zuchtziele beim Rind Glossar 1 Domestizierung (oder Domestikation): (lat. domesticus = häuslich); Zuchtprozess, bei dem aus wilden Tieren und Wildpflanzen Nutztiere bzw. Nutzpflanzen erzeugt werden; dafür ist eine genetische Isolierung von den wilden Formen sowie ein Ausleseprozess für be- stimmte Merkmale (zB „Friedfertigkeit“) nötig Aufgaben W 1 Liste mögliche Zuchtziele für eine von dir gewählte Nutzpflanzen- oder Nutztier- art auf. Begründe deine Wahl. Recherchiere, ob diese Ziele tatsächlich in der praktischen Züchtung von Interesse waren oder sind. S 2 Die Förderung eines Merkmals in der Zucht kann dazu führen, dass ein anderes Merkmal darunter leidet (zB erhöhte Samen- produktion, dafür aber höherer Wuchs). Erstelle eine Hypothese, was eine erhöhte Milchleistung für eine Kuh bedeuten könnte und überprüfe dies durch Recherchen. Basiskonzept Variabilität, Verwandtschaft, Geschich- te und Evolution: Züchtung ist eine vom Menschen gesteuerte gerichtete Evolution. Bestimmte Merkmale werden positiv (ge- wollt) oder negativ (ungewollt) selektiert. Dadurch wird die Variabilität verringert (Aus- sterben alter Sorten) oder erhöht (Erzeugen neuer Sorten aus einer Stammlinie). Letztlich werden bei der Züchtung Lebewesen mit neu- en Eigenschaften hervorgebracht. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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