am Puls Biologie 8, Schulbuch

108 Manche Merkmale wirken regelrecht unnatürlich. Der schillernde Blaue Pfau ( Pavo cristatus , k Abb. 13) ist so ein Beispiel: Das Federkleid der Männchen lockt Weibchen an, scheint aber sonst hinderlich – wie kann so ein Merkmal durch na- türliche Selektion in freier Wildbahn entstehen? Tatsächlich können Pfauenmännchen erheblich schlechter fliegen als die unauffällig befiederten Weibchen. Prachtmerkmale dienen den Männ- chen dazu, ihre Attraktivität und damit ihre Aus- wahl- oder Verpaarungschancen bei den Weib- chen zu erhöhen. Diese Form der Selektion spielt sich also zwischen den Geschlechtern ab und wird daher als sexuelle Selektion bezeichnet. Dabei stehen Merkmale im Mittelpunkt, die ein Individuum gegenüber dessen Konkurrenten für das andere Geschlecht attraktiver machen: Ge- sang, Federkleid, gesundes Aussehen oder Res- sourcenangebote wie ein Nistplatz. Diese Selekti- on kann nun, wie im Beispiel des Pfaus, zwischen den Geschlechtern stattfinden, und wird dann als intersexuelle Selektion bezeichnet. Sie kann aber auch innerhalb eines Geschlechts stattfinden, dann spricht man von intrasexueller Selektion . Ein Beispiel dafür wären Konkurrenzkämpfe bei Hirschen, die untereinander um Weibchen kon- kurrieren. Doch warum sollte ein Weibchen ein „Pracht- männchen“ bevorzugen? Die Selektion sollte doch nicht die Prächtigeren auslesen, sondern die besser Angepassten, also zum Beispiel dieje- nigen, die in einem besseren körperlichen Zu- stand sind. Tatsächlich besteht hier ein Zusam- menhang. Die Weibchen bevorzugen prächtige Männchen, weil nur kräftige und gesunde Männ- chen es sich leisten können, so viel Energie in „unnötigen“ Schmuck zu investieren. Man nennt dies das Handicap-Prinzip : Ein Organismus, der trotz Handicap überleben kann, muss besonders lebenstüchtig sein. Das gilt nicht nur für Pfauen- federn, sondern auch für die volle, dunkle Mähne afrikanischer Löwen oder für große Geweihe oder Gehörne vieler Huftiere. Damit sexuelle Selektion funktioniert, müssen die Weibchen die Fähigkeit haben, anhand be- stimmter Merkmale echte Qualitätsunterschiede zwischen Männchen zu erkennen. Dann stehen die Männchen unter dem Selekti- onsdruck, genau diese Merkmale stärker auszu- prägen. Über viele Generationen kann dies zu exorbitanten Prachtmerkmalen führen. Meist wird eine solche Eskalation aber durch die damit verbundenen körperlichen Nachteile verhindert. Sexuelle Selektion erklärt gut, warum Männchen auf „Stärke“ und „Attraktivität“ selektiert sind, und warum sie Weibchen umwerben, während letztere ihren Wunschpartner häufig eher aus- wählen. Durch intra- und intersexuelle Selektion ist im Verlauf der Evolution eine immense Vielfalt an Merkmalen entstanden. Als Spezialfall der natürlichen Selektion ist die sexuelle Selektion eine treibende Kraft in der Art- bildung. Sexuelle Selektion kann dazu führen, dass Attraktivität als Merkmal gefördert wird Reproduktion Das Handycap-­ Prinzip besagt, dass Individuen, die be- sonders auffällige Prachtmerkmale tragen, dadurch ihre Lebenstüchtigkeit zeigen Abb.13: Blauer Pfau: Die Schwanzfedern des Pfauen- männchens scheinen dem Prinzip des „survival of the fittest“ zu widersprechen. Die Evolution von Prachtmerkmalen ist eine Folge sexueller Selektion Aufgaben W 1 Sexuelle vs. natürliche Selektion: Erläutere am Beispiel des Hirschgeweihs, warum natürliche Selektion und sexuelle Selektion gegenläufig wirken können. E 2 Schwertträger: Experimente mit Schwertträgern, einer Fischart ( k Abb. 14), haben gezeigt, dass Weibchen Männchen um- so mehr bevorzugen, je länger ihr „Schwert“, eine Verlängerung der Schwanzflosse, ist. Sogar kleinere Männchen mit langem, auch aufgeklebtem Schwert werden bevorzugt. Erkläre diesen Befund aus evolutionsbiologi- scher Sicht. Beschreibe ein Folgeexperiment mit Schwertträgern, das durchgeführt werden müsste, um das Konzept der sexuellen Selek- tion an diesem Beispiel zu belegen. Abb.14: Schwertträger Basiskonzept Reproduktion: Sowohl inter- als auch intrasexuelle Selektion beziehen sich vor allem auf sekundäre Geschlechtsmerk­ male. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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