am Puls Biologie 6, Schulbuch

85 Sexualität beim Menschen Blick in die Forschung Hormone im Abwasser machen Amphibien- männchen weiblich Anti-Baby-Pillen werden von vielen Frauen genommen, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Die Wirkung dieser Präparate beruht v. a. auf künstlich hergestellten Sexualhor- monen: Progesteron und Östrogen verhindern die Reifung von Eizellen bzw. den Eisprung. Was vielen nicht bewusst ist: Mit dem Harn gelangen umweltwirksame Mengen dieser Stoffe in das Abwasser und von dort auch in natürliche Gewässer. Be- reits vor mehr als zehn Jahren stellte die britische Umweltbe- hörde fest, dass ein Großteil der männlichen Fische in den un- tersuchten Flüssen Anlagen für weibliche Geschlechtsorgane aufwies und teilweise sogar Eizellen produzierte. Allerdings gelangen Östrogene und ähnliche Substanzen auch auf anderem Wege ins Abwasser, etwa mit dem Harn schwangerer Frauen oder mit dem Urin von Tieren. Eine neue Studie deutscher, polnischer und griechischer Wissenschafte- rinnen und Wissenschafter zeigte nun, dass bereits geringe Mengen des in Anti-Baby-Pillen vorkommenden künstlichen Östrogens 17- α -ethinylestradiol das Geschlecht von männli- chen Amphibien verändern. Dabei wählten sie drei sehr ent- fernt verwandte Arten, um artspezifische Effekte auszuschlie- ßen, nämlich den Krallenfrosch, den europäischen Laubfrosch und die Wechselkröte ( k Abb. 26). Kaulquappen dieser Tiere wurden vier verschiedenen Konzentrationen dieses Hormons ausgesetzt: 0, 50, 500 und 5 000ng/L. Während in den Kontrollgruppen (ohne Hormongaben) keine Geschlechtsumkehr beobachtet wurde, fanden die Forscher und Forscherinnen für die Testgruppen heraus, dass die An- zahl verweiblichter Männchen mit zunehmender Östrogen- konzentration stieg. Allerdings reagierten die einzelnen Arten unterschiedlich sensibel. So bewirkte bereits eine Konzentrati- on von 50 ng Östrogen/L, dass ein knappes Drittel der männ- lichen Krallenfrösche verweiblichten, während ein ähnlicher Prozentsatz bei den anderen beiden Arten erst bei zehnfach höheren Östrogenkonzentrationen erreicht wurde (Tamschick u. a., Scientific Reports (6), 2016). Obgleich die in dieser Studie verwendeten Östrogenkonzen- trationen nur vereinzelt in der Natur gefunden wurden, zeigen viele andere Publikationen, dass diese Hormone bereits in sehr kleinen Mengen einen drastischen Einfluss auf Wasser- lebewesen haben. Die Hormone der Anti-Baby-Pille wirken sich offenbar nicht nur auf die Empfängnisverhütung beim Menschen aus, sondern beeinflussen auch Organismen anderer Ökosysteme. Abb.26: Männliche Kaulquappen von Krallenfrosch ( Xenopus laevis , links), Wechselkröte ( Bufo viridis , Mitte) und europäischem Laubfrosch Aufgaben W 1 Welche Inhalte aus den Themen- seiten stecken hinter diesem Experiment? E 2 Recherchiere im Internet, welche Östrogen-artigen Substanzen in welchen Gewässern und Mengen gefunden wurden. S 3 Welche Bedeutung hat dieses Experi- ment für deinen Alltag/die Entwicklung der Gesellschaft? Finde eine weitere Studie und diskutiere ihre Ergebnisse. Literatur: Tamschick, S.; Rozenblut-Koscisty, B.; Ogielska, M.; Lehmann, A.; Lymberakis, P.; Hoffmann, F.; Lutz, I.; Kloas, W.; Stöck, M.: Sex reversal assessments reveal different vulnerability to endocrine disruption between deeply diverged anuran lineages. In: Scientific Reports. 2016, Jg. 6, Nr. 23825. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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