am Puls Biologie 6, Schulbuch

57 Fortpflanzung und Entwicklung Blick in die Forschung Fortpflanzungsstrategien bei Tieren Sexuelle Fortpflanzung ist unglaublich vielfältig! Die Besamung ist der Vorgang, bei dem die weiblichen und männlichen Gameten aufeinandertreffen. Die Befruchtung, also das Verschmelzen von Ei- und Samenzelle, folgt auf die Besamung. Bei Tieren mit innerer Besamung (Insemination) geschieht dieses Aufeinandertreffen im weiblichen Genitaltrakt, also in- nerhalb des Körpers des Weibchens. Eine solche innere Besa- mung kann die Folge einer Begattung mit Kopulationsorga- nen (Paarungsorganen) sein, zB indem der Penis des Männchens in die Vagina des Weibchens eingeführt wird, wie bei allen Säugetieren. Reptilien und Vögel lösten dies ohne Kopulationsorgane: Männchen und Weibchen pressen dazu ihre Kloaken 1 aneinander. Die Rotseitige Strumpfbandnatter ist eine Schlange, die in Kanada vorkommt, und die ein auffälliges Reproduktionsver- halten zeigt – so auffällig, dass es bereits zu einer Touristenat- traktion geworden ist! Die weiblichen Strumpfbandnattern geben besondere Duftstoffe ab, mit denen sie männliche Nattern zur Paarung anlocken. Diesem Lockduft folgen hunderte, die einen riesigen, sich windenden Paarungsball um das Weibchen formen. Das Weibchen kopuliert (paart sich) allerdings von all den ankommenden Männchen nur mit eini- gen wenigen. Eine ungewöhnliche Art der inneren Besamung findet man bei den Bettwanzen: Weibliche Bettwanzen besitzen auf der Bauchseite ein taschenförmiges Organ ohne Öffnung nach außen, zur Spermienaufnahme. Männliche Tiere hingegen besitzen ein hakenförmiges Kopulationsorgan, mit dem sie die Haut des Hinterleibs des Weibchens durchstechen, und Spermien in diese Tasche des Weibchens abgeben. Gelegent- lich kommt es sogar dazu, dass das Männchen die Haut des Weibchens an beliebiger Stelle des Hinterleibs durchsticht. Die Spermien gelangen dann im Körper des Weibchens über die Körperflüssigkeit (Hämolymphe 2 ) zu den Eierstöcken, wo sie die Eier befruchten, bevor diese abgelegt werden. Bei der äußeren Besamung werden im Gegensatz dazu Ei- und Samenzellen ins Freie abgegeben. Bei Fischen und Fröschen laicht das Weibchen ab (legt die Eier im Wasser ab) und das Männchen besamt sie an Ort und Stelle. Bei manchen Arten, wie zB Skorpionen und manchen Molchen, wird hinge- gen eine Spermatophore (ein Spermienpaket) vom Männchen abgesetzt und vom Weibchen aufgenommen. Abb.14: Paarungsball. Bei der rotseitigen Strumpfbandnatter bilden Männchen Paarungsbälle aus mehreren hunderten Schlangen rund um ein Weibchen, das irgendwo in diesem Knäuel steckt! Abb.15: Traumatische Insemination. Bettwanzenmännchen durchstechen bei der Begattung mit ihrem Penis die Körper- wand der Weibchen. Glossar 1 Kloake: (lat. cloaca = Abzugskanal) Körper- öffnung, die eine gemeinsame Ausmündung von Harnröhre, Darm und Geschlechtsorgan ist. 2 Hämolymphe: Insekten wie Bettwanzen haben kein geschlossenes Blutgefäßsystem wie der Mensch, sondern ein offenes. Das heißt die Körperflüssigkeit, auch genannt Hämolymphe, umfließt frei die Organe, die in der Leibeshöhle des Insektenkörpers liegen. Der Name der Körperflüssigkeit kommt daher, weil Blut und Lymphe hier nicht getrennt sind. 3 Kannibalismus : Auffressen von Individuen, die zur eigenen Art gehören. Aufgaben W 1 Schwarze Witwen sind Spinnen, von denen man weiß, dass bei ihnen sexueller Kannibalismus 3 vorkommt. Recherchiere das Paarungsverhalten der schwarzen Witwen und erkläre es in ein paar Sätzen. Der Begriff „schwarze Witwe“ hat es sogar in unsere Alltagssprache geschafft. Erkläre wie dieser Begriff verwendet wird! W 2 Erläutere, warum bei der traumati- schen Insemination der Bettwanzen die ein- gebrachten Spermien bis zu den Eierstöcken des Weibchens gelangen können. Erkläre war- um eine solche Insemination bei Säugetieren nicht funktionieren könnte. Literatur: Stutt, A. D.; Siva-Jothy, M.T.: Traumatic insemination and sexual conflict in the bed bug Cimex lectularius . In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 2001, Jg. 98, Nr. 10, S. 5683–5687. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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