am Puls Biologie 6, Schulbuch
23 Nervensystem Es gibt viele neuronale Beschwerden, die oft als bloße Stimmungsschwankungen abgetan wer- den. Das häufigste Beispiel ist die Depression, die jeder fünfte Mensch mindestens einmal im Leben in schwerer Form erlebt. Oft steht dies im Zusammenhang mit einem belastenden Erlebnis, es gibt aber auch Fälle, wo Depressionen anhal- ten. Eine spezielle Form ist die manisch-depressive Erkrankung, die auch als bipolare Störung be- zeichnet wird. Etwa jede zwanzigste Person ist irgendwann in ihrem Leben davon betroffen. Typisch für die Erkrankung ist der episodische Verlauf mit manischen und depressiven Phasen, also Schwankungen zwischen „übertrieben eu- phorisch“ und „zu Tode betrübt“ ( k Abb.16). Während in der depressiven Phase sogar Selbst- mordgedanken auftreten können, kommen Be- troffene in der manischen Phase zu unpassend freudiger oder gereizter Stimmung. Diese Symptome hängen mit einer Störung des Stoffwechsels im Gehirn zusammen. Eine Depression kommt durch ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und Noradrenalin zustande. Vor allem ein Mangel der beiden letzteren begünstigt eine Depression. Manische Phasen dagegen werden durch Überschuss von Dopamin und Noradrenalin be- günstigt. Obwohl das einfach klingt, gibt es hier viele un- beantwortete Fragen. Dazu gehört, warum ge- gensteuernde Medikamente unmittelbar an den Synapsen wirksam werden, die antidepressiven Effekte aber erst nach Wochen einsetzen. Ein Beispiel für die Wirkung antidepressiver Medikamente ist in k Abb.17 gezeigt. Das Enzym Monoaminooxidase (MAO) baut Serotonin im synaptischen Spalt ab und begünstigt so die De- pression. Dem wirken MAO-Hemmer entgegen, die das Enzym in ihrer Wirkung stark einbrem- sen. Andere Medikamente wie zB Trizyklika ver- hindern die Wiederaufnahme von Serotonin, wo- durch es länger im synaptischen Spalt wirksam ist. Die Depression ist nur ein Beispiel, wo der Zu- sammenhang zwischen der Krankheit und Vor- gängen an der Synapse belegt ist. Viele andere neurologische Erkrankungen konnten auf Ver- änderungen der Hirnphysiologie zurückgeführt werden. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zum Absterben von Neuronen mit Dopamin als Transmitter. Bei der Alzheimer-Krankheit ver- klumpen fehlerhaft gefaltete Proteine und stören so zunehmend die Funktion des Gehirns. Gegen- wärtig arbeitet die Forschung sehr intensiv dar- an, das molekulare Verständnis neurologischer Störungen zu untersuchen. Depressionen werden durch ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern begünstigt Abb.16: Symptome bipolarer Störungen. Die Dauer der Phasen beträgt eine Woche oder länger, die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Manie Depression Zeit (Wochen) Stimmungshoch Stimmungstief ausgeglichener Zustand Manie: euphorisch; Denken, Sprechen und Handeln beschleunigt; risikoreich; unüberlegt; gesteigertes Selbstbewusstsein; ver- mindertes Schlafbedürfnis Depression: Pessimismus; Angst; langsames Denken, Sprechen und Handeln; Erschöpfungsgefühl; Aufmerk- samkeitsstörung; sozialer Rückzug; Interesselosigkeit; vermehrtes Schlafbedürfnis Steuerung und Regelung Abb.17: Wirkungsweisen von Antidepressiva. MAO Serotonin- abbauprodukte Vesikel mit Serotonin Serotonin- transporter Serotonin Serotonin- rezeptor präsynaptisches Neuron post- synaptisches Neuron synaptischer Spalt Na + Aufnahme- blocker Bindungs- stelle für Serotonin Manche Antidepressiva (Trizyklika) blockieren die Wiederaufnahme von Serotonin. Dadurch wirkt es länger an den postsynaptischen Rezeptoren. Das Enzym Monoaminooxidase (MAO) baut Serotonin im synapti- schen Spalt ab. MAO-Hemmer verlängern die Serotoninwirkung an den postsynaptischen Rezeptoren. Serotonin aktiviert postsynaptische Re- zeptoren. Störungen des Hirnstoffwechsels können neuronale Erkrankungen verursachen Aufgabe W 1 Im Text wird erwähnt, dass Depres- sionen oft als Stimmungsschwankungen ab- getan werden. Suche im Internet nach genau- en Beschreibungen der beiden Beschwerden und stelle die Unterschiede gegenüber. Basiskonzept Steuerung und Regelung: Die Wirkung von Neurotransmittern und die Störun- gen, die damit zu tun haben, zeigen, dass die Übertragung von Signale an den Sy- napsen sehr fein reguliert werden kann. Wie am Beispiel der Depression gezeigt, sind die Zusammenhänge sehr komplex. Man könnte meinen: „mehr Substanz = mehr Wirkung“. Doch das gilt nur in seltenen Fällen. An der Entschlüsselung dieser Steuerungs- und Re- gulationsmechanismen wird gegenwärtig sehr aktiv geforscht. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verla s öbv
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