am Puls Biologie 6, Schulbuch

21 Nervensystem Lernen mit Synapsen? Glossar 1 Donald Hebb: kanadischer Psychobiologe (1904-1985), der die nach ihm benannte Lern- regel aufstellte. 2 Glutamat : Das Anion der Aminosäure Gluta- minsäure ist eines von mehreren bekannten Neurotransmittern (neben dem auf S. 20 er- wähnten Acetylcholin). Glutamat kommt in unseren Zellen an verschiedenen Stellen vor. Wie alle Aminosäuren ist es Bestandteil von Proteinen (vgl. Band 5), bekannt ist Glutamat aber auch als Geschmacksverstärker – neben den bekannten Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter gibt es auf unserer Zunge auch Geschmacksknospen für Gluta- mat (die dazugehörige Geschmacksempfin- dung wird als pikant oder umami bezeichnet, siehe S. 29). Wie kannst du Englisch-Vokabeln am besten ler- nen, so dass sie dauerhaft abrufbar sind? Wie merkst du dir Namen und Gesichter deine Freun- dinnen und Freunde? Bereits 1949 stellte Donald Hebb 1 die Vermutung auf, dass Lernen eine Veränderung an Synapsen darstellt. Hebb postulierte, dass durch häufige Verwendung einer Synapse die Aktivierung der Zielzelle verstärkt wird. Anders gesagt: Je öfter zwei Neuronen miteinander kommunizieren, um- so leichter fällt ihnen das. Wie kann das sein? Hier gibt es verschiedene Ursachen. So kann die präsynaptische Zelle die Menge an freigesetztem Neurotransmitter erhö- hen, oder die Geschwindigkeit, mit der die Trans- mittermoleküle wieder aufgenommen werden. Postsynaptisch kann die Anzahl der Rezeptoren erhöht werden, so dass die Reaktion auf Freiset- zung von Transmittern stärker ausfällt. Man nennt diese Verstärkung der Übertragung auch Potenzierung. (Bei manchen Neuronen kann es durch häufigen Gebrauch auch zu einer Ab- schwächung der Aktivierung oder Depression kommen, dies entspricht dann einem Gewöh- nungseffekt.) Die Änderung der Übertragungsstärke kann eini- ge Millisekunden, aber auch Stunden oder das ganze Leben andauern. Entsprechend spricht man von Langzeit- oder Kurzzeitpotenzierung (oder -depression). Das Phänomen der Langzeitpotenzierung (im Sinne des eingangs erwähnten Lernens) wurde an bestimmten Neuronen nachgewiesen und im Detail erforscht ( k Abb.14). Dabei handelt es sich um Neuronen, die Glutamat 2 als Neurotransmit- ter verwenden. Hier spielen zwei Glutamat-Rezeptoren eine Rolle: Die Freisetzung von Glutamat führt zum Öffnen der AMPA-Rezeptoren (Amino-Methyl- Propionic-Acid), wodurch kurzzeitig ein Aktions- potenzial ausgelöst wird ( k Abb.14a). Bei wieder- holter, hochfrequenter (bis zu 200Hz) Aktivierung wird der zweite Rezeptortyp aktiv ( k Abb.14b): NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat) sind normalerweise durch ein Mg 2+ -Ion verschlossen, werden aber durch die starke Aktivierung geöff- net. Dadurch strömt neben Na + auch Ca 2+ ein. Die- se Ionen aktivieren spezielle Enzyme, die Phos- phatgruppen an die AMPA-Rezeptoren binden, wodurch deren Leitfähigkeit steigt. Dadurch können die AMPA- Rezeptoren in Folge besser arbeiten, sprich, das Signal stärker leiten. Zusätz- lich kommt es zum Einbau weiterer Rezeptoren und in Folge zu einem Wachstum der gesamten Synapse. Dieser sehr komplizierte Prozess verdeutlicht beispielhaft, wie durch wiederholte Erregung einer Synapse die Übertragung langfristig ver- bessert wurde. Auf diese Art und Weise gelangen Inhalte in dein Langzeitgedächtnis – Englisch- vokabeln wie Namen. Häufiger Gebrauch von Synapsen kann diese verändern, so dass sie zukünftig stärker (oder schwä- cher) erregbar sind Die Langzeitpoten- zierung von Synap- sen im Langzeitge- dächtnis führt zur Veränderung und Vermehrung der Rezeptoren geringe Aktions- potenzial- frequenz hohe Aktions- potenzial- frequenz Glutamat postsynaptisches Neuron gering aktiv postsynaptisches Neuron lange aktiv (LTP) K + NMDA- Glutamat- Rezeptor AMPA- Glutamat- Rezeptor Mg 2+ Na + Vesikel mit Glutamat Enzym Na + Ca 2+ Mg 2+ K + Die NMDA-Rezeptor- kanäle sind beim Ruhepotenzial durch ein Magnesium-Ion verschlossen. Die AMPA-Rezeptorkanäle können durch den Neuro- transmitter Glutamat für 1 ms geöffnet werden. Depolarisation der post- synaptischen Membran entfernt das Magnesium- Ion; Na + und Ca 2 + strö- men für 100 ms ein. Die AMPA-Rezeptorkanäle werden von Ca 2 + -abhängigen Enzymen phosphoryliert. Weitere Glutamat- Rezeptoren wer- den eingebaut. Abb.14: Veränderung an der Synapse durch häufige Verwendung. Hier ist die so genannte Langzeitpotenzierung (long-time potentation, LTP) dargestellt, d.h. durch wiederholten Gebrauch der Synapse erhöht sich längerfristig die Anzahl an Rezeptoren in der postsynaptischen Membran. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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