am Puls Biologie 6, Schulbuch
150 Selbstloses Verhalten Kaum hat eine Ameisenarbeiterin der in Südos- tasien heimischen Art Camponotus saundersi einen Feind wahrgenommen, egal wie groß und gefährlich dieser ist, stürzt sie sich auf ihn, und zieht ihre Muskulatur des Hinterleibs so stark zu- sammen bis die Bereiche zwischen den Skelett- platten aufreißen und sie platzt. Dabei und über- schüttet sie den Angreifer mit klebrigem Sekret. Bei dieser spektakulären Abwehrstrategie stirbt die Arbeiterin. Ein solches völlig selbstloses Verhalten, zum Vorteil der anderen Gruppen- oder Koloniemit- glieder bezeichnet man als Altruismus. Die Frage wie so ein Verhalten im Laufe der Evolution enstehen konnte, wenn es doch zum eigenen Nachteil der Ameise ist, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Erst 1964 wurde durch den englischen Biologen William D. Hamilton eine entsprechende Theorie aufgestellt: die Verwandtenselektion. Seine Theorie, die mittlerweile als bestätigt gilt, besagt, dass sich solch extrem selbstloses Verhal- ten dann durchsetzen kann, wenn zwischen je- nen Tieren die sich aufopfern und den anderen Tieren der Gruppe eine enge Verwandtschaft be- steht. Dadurch, dass die Arbeiterinnen die gefährlichen Arbeiten übernehmen, die Kolonie verteidigen und bei der Brutpflege helfen, kann die Ameisen- königin nämlich sehr viel mehr Nachkommen zur Welt bringen. Die Arbeiterinnen helfen also der Königin ihre Nachkommenzahl zu erhöhen – und weil sie so eng verwandt sind bekommen die Ar- beiterinnen so – indirekt – ebenfalls viele eng verwandte Nachkommen. Weniger extreme Formen von Kooperation fin- den sich auch bei nichtverwandten Gruppen von Tieren einer Art. Das gegenseitige Füttern bei Vampirfledermäu- sen, die in Mittel- und Südamerika leben, ist ein Beispiel dafür. Vampirfledermäuse können ohne eine Blutmahlzeit nicht lange überleben, aber die Chance, in einer Nacht bei der Jagd leer aus- zugehen ist recht hoch. Erfolgreiche Vampirfle- dermäuse geben daher den Erfolglosen von ihrer Blutmahlzeit ab – und werden umgekehrt später gefüttert wenn sie selbst einmal leer ausgegan- gen sind. Ein Verhalten das zum eigenen Nach- teil aber zum Vorteil der Gruppe ist nennt man altruistisch Reproduktion Abb.12: Vampirfledermaus. Bei diesen Tieren beobachtet man manchmal, dass sie aufgenommenes Blut an hungernde Nichtverwandte weitergeben. Aufgaben S 1 Der Mensch ist ein wahrer Meister der Kooperation! Von den einstigen Jäger- Sammler Gesellschaften bis heute spielte Kooperation stets eine große Rolle im Zusam- menleben von menschlichen Gruppen und in Staaten. Nenne zwei Beispiele von mensch- lichen Gruppen in deinem Umfeld, bei denen Kooperation eine wichtige Rolle spielt und er- kläre wo dabei kooperiert wird. W 2 Altruismus klingt nach einem Phäno- men von dem man erwartet, dass es nur bei Tiergruppen vorkommt – dies ist aber nicht der Fall! Der Schleimpilz Dictyostelium lebt im Boden von Bakterien. Bei der Fortpflanzung dieser Art spielt Kooperation zwischen einzel- nen Individuen eine große Rolle. Recherchiere im Internet zur Biologie und zur Fortpflan- zung dieser Art. Erkläre, warum man hier ebenso von Altruismus sprechen könnte. Basiskonzept Reproduktion: Extreme Formen von Altruismus sind der eigene Selbstmord zum Vorteil der Gruppe und die Aufgabe der eigenen Reproduktion innerhalb der Kolonie, wie sie bei sozialen Insekten vorkommt. Abb.13: Fruchtkörper des Schleimpilzes Dictyostelium . Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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