am Puls Biologie 6, Schulbuch
146 8.2 Lernen Prägung Das Foto in Abbildung 5 zeigt den Forscher Kon- rad Lorenz, gefolgt von einer Schar junger Grau- gänse. Lorenz ließ Gänseeier in einem Brutkas- ten ohne Kontakt zur Mutter ausbrüten. Das erste Lebewesen, das die Kücken beim Schlüpfen sahen, war nicht etwa eine Gans sondern der Verhaltensbiologe selber. Daraufhin folgten die jungen Gänse dem Forscher, ohne später der ei- genen Mutter oder anderen Gänsen nachzulau- fen. Allerdings zeigten sie später bei der Partner- wahl dennoch durchwegs eine Vorliebe für ihre eigenen Artgenossen. Eine solche Verknüpfung bestimmter Schlüssel- reize mit genetisch bedingten, stabilen Verhal- tensweisen während einer sensiblen Lebenspha- se wird als Prägung bezeichnet. Bestimmte Reize werden dabei besonders schnell gelernt und auf Lebenszeit behalten. Eine Prägung ist meist irre- versibel, d. h. sie kann später nicht mehr verän- dert werden. Wenn eine Prägung in der sensiblen Phase nicht erfolgt ist, kann sie später auch nicht mehr nachgeholt werden. Jungtiere nach dem Schlüpfen erkennen so, dank Prägung, ihre Eltern auch in einer großen Schar von Tieren. Lachse und andere Wanderfische werden auf den Geruch des Heimatbachs geprägt (Ortsprä- gung). Insekten lernen als Larve die Futterpflan- ze kennen, auf die sie später ihre Eier ablegen (Nahrungsprägung). Durch sexuelle Prägung lernen Jungtiere, wie ihre Eltern aussehen, sich anhören oder riechen. Dadurch können sie später geeignete Paa- rungspartner der eigenen Art erkennen. Spätere Fehlentscheidungen wie Hybridisierung, d. h. ein Verpaaren mit einem Partner einer fremden Art, werden dadurch vermieden. Abb.5: Nachfolgeprägung. Dem Verhaltensforscher Lorenz folgte die Schar von Gänsen, die beim Schlüpfen auf ihn geprägt wurden. Klassische Konditionierung – Verknüpfung von Reizen Tiere lernen sehr schnell, einen Reiz mit einem anderen zu verbinden. Dies zeigten bereits um 1900 die Versuche des russischen Biologen Iwan Pawlow. Er entdeckte eine besondere Art des Lernens: die klassische Konditionierung. Pawlow arbeitete mit Hunden, mit denen er Lernexperi- mente durchführte. Er konnte zeigen, dass der Speichelfluss des Hundes bereits beim Läuten einer Glocke auftritt, wenn diese zuvor mehrmals bei der Futtergabe ertönte ( k Abb.7). Dabei wur- de ein unbedingter Reflex, nämlich das Abson- dern des Speichels beim Anblick von Futter, mit einem neuen Reiz, dem Glockenton, gekoppelt. Es liegt nun ein sogenannter bedingter Reflex vor. Diesen Lernprozess nennt man klassische Konditionierung. Bei der klassischen Konditionierung werden Reize mit- einander verknüpft Eine Verknüpfung eines Schlüsselreizes mit einer genetisch bedingten Verhal- tensweise während einer sensiblen Phase nennt man Prägung Aufgaben W 1 Prägung ist nur in einem sensiblen Intervall möglich. Abbildung 6 zeigt in wel- chem Lebensalter das Nachfolgeobjekt er- kannt werden muss, damit die Nachfolgeprä- gung der Gänsekücken erfolgt. Erläutere anhand der Grafik, wann die Sensibilität am größten ist und in welchem Intervall die Prägung erfolgen kann. E 2 Pawlows Hundeexperimente führten zur Entdeckung des bedingten Reflexes. Be- schreibe die ursprüngliche Reaktion des Hun- des, sowie die Schritte (a) bis (c) in Pawlows Experiment, die in Abbildung 7 gezeigt sind. Erstelle schriftlich eine Hypothese, welches Verhalten des Hundes du erwartest, wenn nach der erfolgten Konditionierung die Glocke mehrmals ertönt, ohne dass dazu Futter gereicht wird. 50 40 30 20 10 6 12 18 24 0 prägungsgemäßes Verhalten (%) Alter (Stunden) Abb.6: Sensible Phase der Gänsekücken bei der Nachfolgeprägung Reaktion keine Reaktion Reaktion Reaktion + Abb.7: Pawlows Hundeexperimente Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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