am Puls Biologie 6, Schulbuch

145 Verhaltensbiologie Schlüsselreize Verhalten kann durch innere und äußere Impuls- geber ausgelöst werden. Jungvögel betteln erst dann, wenn sie hungrig sind und ein männlicher Kanarienvogel singt erst dann besonders ein- drucksvoll, wenn er zur Paarung bereit ist (innere Impulsgeber). Wenn ein anderes Männchen in das Revier eines männlichen Rotkehlchens eindringt, so wird die- ses sofort attackiert. Aber auch ein Federbüschel oder eine Attrappe mit rotem Brustfleck kann dasselbe Verhalten hervorrufen (äußere Impuls- geber). Äußere Impulsgeber sind oft sehr einfache Mus- ter oder Formen. Man nennt sie dann Schlüssel- reize. Mithilfe von Versuchen mit Attrappen lässt sich ermitteln, welche Aspekte einen Schlüssel- reiz ausmachen, und wie Lernen und Erfahrung die genetisch bedingte Reaktion auf diesen Aus- löser verändern können. Schlüsselreize werden schnell erkannt und lösen fast unmittelbar die angeborene Reaktion aus. Abb.3: Rotkehlchen. Männliche Rotkehlchen reagieren auf den roten Brustfleck: Sie greifen Attrappen mit roten, aber nicht mit blauen oder grünen Brustflecken an. Der Vorteil dieses simplen Entscheidungsmecha- nismus liegt in seiner Schnelligkeit. Es müssen keine aufgenommenen Reize mit gespeicherten Erinnerungen verglichen werden. Die Reaktion kann sofort erfolgen. Der Vorteil von Schlüsselreizen liegt in der Schnelligkeit der Reaktion, die sie auslösen Konrad Lorenz und die Anfänge der Verhaltensforschung Einer der bekanntesten österreichischen Natur- wissenschafter war mit Sicherheit der Biologe Konrad Lorenz (1903–1989). Er studierte das an- geborene Verhalten von Tieren, insbesondere von Graugänsen und Krähen. Die Vorstellung, dass Schlüsselreize von einem speziellen, angeborenen Auslösemechanismus erkannt werden und Tiere auf entsprechende Reize automatisch reagieren, sobald äußere oder innere Reize eine gewisse Schwelle erreichen, geht auf ihn und seinen Kollegen Nikolaas Tinbergen zurück. Die beiden Forscher begründeten die verglei- chende Verhaltensforschung und gelten als Wegbereiter der Verhaltensbiologie. Sie erhielten zusammen mit Karl von Frisch für ihre bahnbre- chenden Untersuchungen 1973 den Nobelpreis. Konrad Lorenz vertrat die Sichtweise, dass man, um das Verhalten eines Tieres richtig zu verste- hen, das Tier in seiner natürlichen Umgebung beobachten müsste. Verhaltensbiologen und -biologinnen ergründen das Ver- halten von Tieren durch Beobachtung und Experimente Abb.4: Karl von Frisch, Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen. Die drei Verhaltensforscher bekamen für ihre Forschungsarbeiten 1973 gemeinsam den Nobelpreis verliehen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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