am Puls Biologie 6, Schulbuch
114 Räuber- und Beute-Populationen beeinflussen sich gegenseitig Da die Angehörigen einer Art in einem Lebens- raum eng miteinander zu tun haben, ist es sinn- voll, sie in einer Gruppe zusammenzufassen. Eine solche Gemeinschaft nennt man Population. So bilden alle E. coli- Bakterien in deinem Darm eine Population, in dem deiner Mutter eine andere Population. Wenn du Antibiotika gegen bestimm- te Bakterien einnimmst, werden diese nur in dei- nem Körper, nicht in dem deiner Mutter sterben. Allgemein besteht eine Population aus den Indi- viduen einer Art, die sich in einem gemeinsa- men, klar definierten Lebensraum aufhalten und zwischen denen in irgendeiner Form Genaus- tausch stattfinden kann. Für die gegenseitige Beeinflussung zweier Arten sind weniger die einzelnen Individuen entschei- dend als die Größe ihrer jeweiligen Population. Ein historisch gut dokumentiertes Beispiel dafür liefern Schneeschuhhasen und Luchse im Norden Kanadas. Dort hatte die Hudson Bay Company über viele Jahrzehnte durch den Verkauf von Fellen von Schneeschuhhasen und Luchsen gute Gewinne erzielt. Aufgrund der sehr genauen Buchführung trat folgender Zusammenhang zutage: Die Anzahl der von den Jägern angelieferten Felle unterlag periodischen Schwankungen, die gut die Populationsgrößen der beiden Arten wider- spiegelten. Diese Schwankungen zeigten eine er- staunliche etwa elfjährige Periodizität ( k Abb.14). Da Luchse sich von Schneeschuhhasen ernähren, schienen diese Zyklen durch eine einfache Räuber-Beute-Beziehung erklärbar zu sein: Große Beutehasenpopulationen fördern zunächst die Luchspopulationen. Deren Anwachsen wirkt dann jedoch hemmend auf die Beutehasen- population. Der darauffolgende Populationsrück- gang der Beutehasen führt seinerseits zur Abnahme der Luchspopulation. Nun kann die Beutehasenpopulation sich erholen und der Zyklus beginnt von neuem. Diese Zyklen lassen sich mathematisch durch das so genannte Lotka-Volterra-Modell 1 beschreiben ( k Abb.14). Daraus lassen sich die folgenden Lotka-Volterra-Regeln ableiten: 1. Regel: Die Populationsgrößen von Räuber und Beute schwanken periodisch um einen Mittel- wert. Eine hohe Räuberdichte folgt dabei phasenverschoben einer hohen Beutedichte. 2. Regel: Langfristig bleiben die mittleren Popula- tionsdichten konstant. 3. Regel: Nach starker Dezimierung beider Po- pulationen erholt sich erst die Beutepopulation, zeitversetzt auch die der Räuber. Ganz so einfach ist es dann allerdings nicht: Die Hasenpopulation schwankt selbst dann, wenn keine Luchse vorhanden sind, und zwar wegen des unterschiedlichen Nahrungsange- bots. Die Lotka-Volterra- Regeln beschreiben die Entwicklung von Populationen in einfachen Räuber- Beute-Beziehungen Steuerung und Regelung Abb.14: Zyklische Populationsschwankungen von Luchs und Schneeschuhhase können mit dem Lotka-Volterra-Modell beschrieben werden. Das Modell beschreibt allerdings nur, es erklärt nicht. Anzahl der Hasenfelle (Tausend) Anzahl der Luchsfelle (Tausend) 20 40 60 80 0 20 40 60 80 100 120 140 160 1845 1855 1865 1875 1885 1895 1905 1915 1925 1935 Zeit Anzahl der Individuen Jeder Populationszyklus besteht aus einem Anstieg bis zu einem Gipfel und einem anschließenden Rückgang auf einen Tiefpunkt vor dem nächsten Anstieg. Die Räuber-Beute-Zyklen im Lotka-Volterra-Modell ent- sprechen denen von Luchs und Schneeschuhhase gut. Diese Räuber-Beute- Zyklen folgen einem regelmäßigen Muster. Anzahl der Luchse (Räuber) Anzahl der Hasen (Beute) Mittelwert Glossar 1 Lotka-Volterra-Modell: Das mathematische Modell zur Beschreibung der Populations- schwankungen von Räubern und Beute wurde von den Mathematikern Alfred James Lotka (1925) und Vito Volterra (1926) entwickelt. Aufgaben W 1 Liste für eine Art deiner Wahl alle Faktoren auf, die ein unkontrolliertes und damit exponentielles Wachstum verhindern. W 2 Zeichne ein Schema, das die Bezie- hung von Räuber und Beute in Form eines Regelkreises mit positiver und negativer Rückkopplung veranschaulicht. Basiskonzept Steuerung und Regelung: Räuber- und Beute-Populationen beeinflussen sich gegenseitig. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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