am Puls Biologie 6, Schulbuch

109 Ökologie 6.2 Lebewesen eines Habitats interagieren Konkurrenz innerhalb einer Art wird durch Aufteilung von Ressourcen verringert Zurück zu unserem Hausbeispiel. Bei knappem Wohnraum bewerben sich manchmal über 100 Interessenten um eine einzige Wohnung. Sie alle stehen in Konkurrenz zueinander. Das kann auch in der Natur geschehen. Die „Woh- nung“ ist hier ganz allgemein die ökologische Nische. Zur Erinnerung: Es handelt sich dabei nicht um einen klar bestimmbaren Aufenthalts- ort, sondern um die Stellung einer Art in einem Lebensraum im Wechselspiel mit allen anderen dort vorkommenden Lebewesen und den dort vorherrschenden Umweltbedingungen. Konkurrenz innerhalb einer Art kann allerdings durchaus konkrete Wohnungen betreffen. So benötigen Einsiedlerkrebse neue Schnecken- häuser, wenn die alten zu klein geworden sind ( k Abb. 8). Sie schützen damit ihr weiches Hinter- teil vor Räubern. Leben viele Einsiedlerkrebse an einem Standort, kann der Wohnungsmarkt derart angespannt sein, dass die Krebse auf „Altbau- wohnungen“ ausweichen. Dann beziehen einzel- ne Individuen der Art Coenobita rugosus an der Südwestküste Madagaskars fossile Schnecken- häuser. Da Größe und Raumaufteilung meist nicht genau passen, ist dies für die Einsiedler- krebse nur eine Notlösung. Sobald Besseres ge- funden wird, ziehen sie um. Man kann den Begriff „Wohnraum“ weiter fassen: Viele Tiere benötigen ein Gebiet mit einer Min- destgröße, um sich und den Nachwuchs versor- gen zu können. Ein solches Gebiet heißt Revier. Die Abgrenzung von Revieren hat daher meist weniger mit der Knappheit der Ressource „Woh- nung“ zu tun, sondern mit der Knappheit der Ressource Nahrung. Die benötigten Reviere können sich im Laufe eines Jahres ändern. Zur Brutzeit findet man in Wäldern ca. 3 Amsel- paare pro Hektar. Außerhalb der Brutzeit kann die Amseldichte dort auf über 40 Einzeltiere pro Hektar ansteigen, also um mehr als das 6-Fache. Dieser drastische Dichteunterschied hängt mit der Bildung von Revieren zusammen. Männchen und Weibchen vertreiben während der Brutzeit die ins Revier eindringenden Artgenossen. Tiere, die kein geeignetes Brutrevier besetzen konnten, bleiben in Randbezirken und können als Einzelindividuen keine Nachkommen zeugen. Außerhalb der Brutzeit trifft man die einstigen Konkurrenten aber durchaus gemeinsam in einer Gruppe an. Die Ausbildung von Brutrevieren ist eine Anpas- sung an die Nahrungsknappheit in der sensiblen Phase der Jungenaufzucht. Intraspezifische (innerartliche) Konkurrenz wird so verringert. Das ist sinnvoll angesichts einer durchschnittli- chen Sterblichkeit bei Jungamseln von fast 70% im ersten Jahr. In zahlreichen Studien ist der Nachweis erbracht worden, dass die Sterblichkeit der Jungvögel in nahrungsreichen Brutrevieren deutlich unter der in minderwertigen Revieren liegt. Ohne Revier- bildung wären benachbarte Brutpaare vermut- lich schärfste Konkurrenten, denn sie haben identische Ansprüche und besetzen daher die- selbe ökologische Nische. Revierbildung kann also intraspezifische Konkur- renz verringern. Weitere Möglichkeiten sind un- terschiedliche Ansprüche verschiedener Entwick- lungsstadien einer Art oder Sexualdimorphismus (unterschiedliches Erscheinungsbild der Ge- schlechter). Im ersten Fall wird Nahrungskonkur- renz zwischen Alt- und Jungtieren verringert, zB bei fleischfressenden Fröschen und ihren pflan- zenfressenden Larven ( k Abb. 9). Beim Sexualdi- morphismus ist die Konkurrenz zwischen Männ- chen und Weibchen verringert. So erlegt das große Sperberweibchen andere Beute als das kleinere Männchen, obwohl sie dieselben Stand- orte besiedeln. In beiden Fällen wird die Konkur- renz durch unterschiedliche Nahrungsnischen gemindert, beim Grasfrosch zusätzlich durch teilweise verschiedene Lebensräume. Mitglieder einer Art konkurrieren um Ressourcen wie Wohnstätten und Nahrung Abb.8: Gibt es zu wenig „frische“ Schneckenhäuser, müssen Einsiedlerkrebse „Ersatzbehausungen“ suchen. Revierbildung, Entwicklungsstadien mit verschiedenen Ansprüchen und Sexualdimorphismus mindern intraspezi- fische Konkurrenz Abb.9: Ein Grasfrosch gerät nie in Nahrungskon- kurrenz zu seinen Algen fressenden Larven. Nur zu Prü zwecken – Eigentum des Verlags öbv

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