am Puls Biologie 6, Schulbuch
108 Ökologische Konvergenz: Nicht verwandte Arten können sehr ähnlich aussehen Kolibris sind eine Familie von farbenprächtigen Vogelarten, die aufgrund ihres Flügelbaus und ihres extrem schnellen Flügelschlags auf der Stelle schwebend fliegen können. Sie kommen nur in Amerika vor. Dafür gibt es in Afrika Nektar- vögel, die den Kolibris in Körperbau und Flugver- mögen sehr ähneln ( k Abb.7). Auch Nektarvögel können beim Fliegen auf der Stelle stehen, und auch sie saugen mit ihren langen Schnäbeln Nektar aus Blüten. Beide Vogelgruppen haben somit sehr ähnliche Nahrungsnischen, sind aber nicht miteinander verwandt. Wie kam es zu dieser verblüffenden Übereinstim- mung? In beiden Lebensräumen gedeihen Ge- fäßpflanzen mit großen Blüten. Deren Nektar erreichen Tiere nur, wenn sie frei schwebend in der Luft mit einem verlängerten Schnabel oder Saugrüssel tief in die Blüte hineingelangen. Daran sind Nektarvögel und Kolibris unabhängig voneinander auf verschiedenen Kontinenten angepasst. In Abbildung 7 findest du weitere Beispiele für derartige Ähnlichkeiten bei nicht näher miteinander verwandten Organismen unterschiedlicher Regionen. Dieses Phänomen wird ökologische Konvergenz genannt. Nicht verwandte Arten besetzen ver- gleichbare Nischen in unterschiedlichen Regionen Variabilität, Verwandt- schaft, Geschichte und Evolution Struktur und Funktion Typ Amerika Eurasien Afrika Australien Nektar saugende Vögel Kolibri Blütenpicker Nektarvogel Honigfresser Saftpflanzen mit wasserspeichern- dem Stamm (Stammsukkulenten) Kaktus fehlen Kandelaber- Wolfsmilch fehlen weitestgehend bodenwühlende Säugetiere Taschenratte (Nagetier) Maulwurf (Insektenfresser) Goldmull (Insektenfresser) Beutelmull (Beuteltier) Abb.7: In der Anpassung an ähnliche ökologische Nischen kommt es selbst bei nicht verwandten Arten zu Ähnlichkeiten in Körperbau und Verhalten. Ökologische Divergenz: Verwandte Arten können sehr unterschiedlich aussehen Genauso faszinierend wie die ökologische Konvergenz ist ihr Gegenteil, die ökologische Divergenz (adaptive Radiation 1 ). Hier hat eine Art freie ökologische Nischen vorgefunden und sich in der Folge in zahlreiche spezialisierte Arten aufgespalten. Berühmte Beispiele sind die Galapagosfinken, die Kleidervögel auf Hawaii und die Buntbarsche der afrikanischen Seen. Adaptive Radiation und Konvergenz zeigen, wie eng Evolution und Ökologie zusammenhängen. Die Ökologie wird letztlich nur im Kontext der Evolution verständlich, also der seit Milliarden von Jahren anhaltenden Entwicklung des Lebens. Eng verwandte Arten können unter- schiedliche Nischen besetzen und dabei Aussehen und Ver- halten verändern Glossar 1 adaptive Radiation : Ausbreitung (lat. radia- tus = ausstrahlend), bei der in Teilgruppen von Arten im Laufe der Evolution Eigenschaf- ten entstanden sind, die ein Überleben bei anderen als den ursprünglichen Lebensbedin- gungen ermöglichen; aus diesen Teilgruppen (= Populationen) können neue Arten entste- hen Aufgaben W 1 Begründe, warum für den Wüsten- fuchs große Ohren lebensnotwendig sind. W 2 Vögel sind gleichwarme Tiere (homoiotherm). Manche Vogelarten wie der Kolibri senken aber in der Nacht ihre Körper- temperatur drastisch ab: von ca. 40 °C auf bis zu 18 °C. Recherchiere die Gründe dafür. Lege dar, warum dieses, Torpor genannte Phäno- men v.a. bei kleinen Vögeln vorkommt. W 3 Begründe, warum die Kakteen Ameri- kas und die Wolfsmilchgewächse Afrikas so ähnlich gebaut sind. Basiskonzepte Variabilität, Verwandtschaft, Geschich- te und Evolution: Arten sind an die Umweltbedingungen in ihren Lebensräumen angepasst. Struktur und Funktion: Die Form und das Nahrungssuch-Verhalten der Nektarvögel und der Kolibris ähneln einander, weil ihre Nahrungsquelle (Blüten) ähnlich aufgebaut sind. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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