am Puls Biologie 6, Schulbuch
106 Tiefe Temperaturen begrenzen Vorkommen und Aktivität von Tieren Wieso findest du auf den Gipfeln unserer Berge Steinböcke, Gämsen und Alpendohlen, Eidechsen und Frösche jedoch nicht? Der entscheidende Grund dafür ist die Temperatur. Den meisten Tie- ren ist es dort schlicht zu kalt. Vögel und Säuge- tiere sind die einzigen Tiergruppen, die ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umge- bungstemperatur auf einem konstant hohen Niveau halten können. Manche schaffen es sogar, extrem kalte Regionen zu besiedeln. Vögel und Säuger sind gleichwarm (homoiotherm). Bei hohen Körpertemperaturen (Säugetiere: ca. 36–37°C, Vögel: 38–42 °C) laufen Wachstum, Ver- dauung und Atmung relativ schnell ab. Ohne Temperaturregulation wären diese Vorgänge nach der Reaktionsgeschwindigkeits-Tempera- tur-Regel zwei- bis dreimal langsamer, wenn es nur 10 °C kälter wäre. Bei wechselwarmen (poikilothermen) Tieren, wie Reptilien, Fischen oder Insekten, gleicht sich die Körper- der Umgebungstemperatur an. Die Be- siedlung selbst nur zeitweise sehr kalter Stand- orte ist für sie schwierig. Poikilotherme Tiere müssen bei Frost geeignete Verstecke aufsuchen und verfallen dort in Winterstarre. Um nicht zu erfrieren, erhöhen manche Poikilo- therme, zB Zuckmückenlarven, in ihren Körper- flüssigkeiten die Konzentration gelöster Stoffe, etwa Glukose. Viele Poikilotherme können sehr kalte Zeiten nur in bestimmten Stadien über- dauern, etwa als Ei oder Larve. Anders sieht es bei Homoiothermen aus. Sie müssen viel Wärme produzieren, um ihre Körper bei niedrigen Umgebungstemperaturen auf- zuheizen. Das kann bis zu 90% des Gesamt- energieumsatzes kosten. Die Betriebsstoffe dafür stammen aus der Nahrung. Als Faustregel gilt, dass gleichwarme Tiere fünf- bis zehnmal mehr Nahrungsenergie benötigen als wechselwarme Tiere gleicher Körpermasse. Im Winter steigt der Energieaufwand dafür sehr stark. Zugleich gibt es wenig Nahrung. Viele Säugetiere, die sehr kalte Zeiten überstehen müssen, halten deshalb Winterruhe oder Winter- schlaf ( k Abb. 4). Dabei sinkt ihre Körpertempera- tur deutlich. Das reduziert den Energiebedarf auf bis zu 2% des Normalbedarfs. Dafür muss aller- dings im Körper dieser Tiere ausreichend Fett eingelagert worden sein. Gleichwarme Tiere können sehr kalte Lebensräume besie- deln, brauchen aber mehr Energie als wechselwarme Tiere Steuerung und Regelung Stoff- und Energieumwandlung Auch hohe Temperaturen stellen ein Problem dar. Poikilotherme Tiere können ihre Körpertempera- tur fast nur durch ihr Verhalten regulieren: So wärmt sich die Zauneidechse in der Sonne auf, bis ihre Körperaktivität für die Beutejagd aus- reicht. Wird es zu heiß, flieht sie in den Schatten, wo sie Wärme abgibt. Diese Methode benötigt fast keine Energie. Homoiotherme Tiere wie der Schäferhund kö nnen ebenfalls schattige Plät- ze aufsuchen. Oder sie kühlen ihren Körper durch Hecheln oder verstärkte Hautdurch- blutung. Dafür wird allerdings Stoffwechsel- energie benötigt. Homoiotherme Tiere können aktiv Wärmeenergie abge- ben, poikilotherme nicht Bezeichnung Stoffwechselaktivität Körpertemperatur Beispiele mit Erläuterung Winterruhe (verlängerter Ruheschlaf) Atmung und Herzschlag verlangsamt gleichbleibend reguliert, aber leicht abgesenkt gleichwarme Tiere, wie zB Eichhörnchen; Unterbrechung der Winterruhe bei gutem Wetter Winterschlaf (tiefer Dauer- schlaf) Atmung und Herzschlag stark verlangsamt gleichbleibend reguliert und stark abgesenkt gleichwarme Tiere, wie zB Igel und Hamster; bei Erreichen der Letaltempe- ratur (zB Igel 2 °C, Hamster 4 °C) erfolgt Weckreiz mit anschließender erhöhter Stoffwechselaktivität, die aber nur kurz- fristig aufrechterhalten werden kann. Winterstarre (todähnliche Starre) Atmung und Herzschlag kaum nachweisbar wie Umgebungs- temperatur wechselwarme Tiere, wie zB Fische, Amphibien, Reptilien; die Letaltempe- ratur vieler Süßwasserfischarten beträgt –1,5 °C, die der Zauneidechse –1,3 °C, die vieler Insekteneier –40 °C. Abb.4: Gleich- und wechselwarme Tiere überdauern niedrige Temperaturen auf unterschiedliche Weise. Dem Überleben sind Grenzen gesetzt: Unterhalb der Letaltemperaturen (letal = tödlich) sterben die Individuen. Winterstarre, Winterruhe und Winterschlaf sind unterschiedliche Reaktionen auf sehr kalte Temperaturen Basiskonzepte Steuerung und Regelung: Durch verän- derten Stoffwechsel und/oder Verhal- ten können Organismen auf Umweltbedin- gungen reagieren. Stoff- und Energieumwandlung: Lebe- wesen sind auf eine Energiezufuhr von außen angewiesen. Steht wenig Energie zur Verfügung, zB bei Nahrungsmangel im Win- ter, müssen Stoffwechsel und/oder Verhal- tensweisen entsprechend angepasst werden, um überleben zu können. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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