am Puls Biologie 5, Schulbuch

162 Probiotika – was ist dran an der Werbung? „Probiotika – damit Ihr Bauch sich wohl fühlt“ – kennst du diesen Werbeslogan? Probiotika sind üblicherweise Milchsäurebakte­ rien der Gattungen Lactobacillus, Streptococcus und Bifidobacterium . Manche Präparate ent­ halten harmlose Stämme der Darmbakterien Escherichia coli und Enterococcus faecium . Sie werden in Fermentern gezüchtet und dann verschiedenen Produkten beigemengt. Tatsächlich haben manche Probiotika einen positiven Effekt. Seit Jahren ist jedoch umstritten, ob mit Probiotika extra angereicherte Milch­ produkte einen Nutzen haben, der über den von gewöhnlichem Jogurt hinausgeht. Denn Jogurt enthält ja bereits Milchsäurebakterien, wie du auf der vorherigen Seite erfahren hast. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Probiotika als „ lebende Mikroorganismen, die einen gesundheitlichen Nutzen bringen, wenn sie in angemessener Dosis eingenommen werden “. Doch welche Dosis ist „ angemessen “, und was ist ein „ gesundheitlicher Nutzen “? Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz schrieb 1999, dass eine „ regelmäßige, meist tägliche Dosis von 10 8 bis 10 9 probiotischen Mikroorganismen erforderlich ist, um probiotische Wirkungen im menschlichen Organismus zu entfalten “. 10 9 , das sind eine Milliarde Bakterien. Entsprechend empfiehlt die US-amerikanische National Yogurt Association, dass frisch her­ gestelltes Joghurt mindestens 10 8 , also 100 Millio­ nen aktive Milchsäurebakterien pro Gramm enthalten sollte. Ein Glas normales Jogurt am Tag dürfte somit ausreichen – ganz ohne Zusatz wei­ terer Mikroorganismen. Der regelmäßige Konsum ist bei solchen Bakte­ rien erforderlich, die sich nicht längerfristig im Darm ansiedeln und die unwirtlichen Bedin­ gungen im Magen nur zum Teil überleben. Weniger klar sind die Folgen für die Gesundheit. In unserem Magen-Darm-Trakt leben fast genau so viele Bakterien wie wir Körperzellen besitzen. Insgesamt wird der Darm von hunderten ver­ schiedenen Bakterienarten besiedelt. Manche von ihnen nützen uns, indem sie zB Nährstoffe verfügbar machen. Andere scheinen einfach nur dort zu leben ohne weitere Auswir­ kungen auf den Menschen. Wieder andere sind allerdings Krankheitserreger und können uns schaden. Diese finden aber wenig Lebensraum, solange genug nützliche oder harmlose Bakterien die Innenwand des Darms bedecken. Probiotische Bakterien scheinen zu­ sätzlich eine ganze Reihe von indirekten Wirkun­ gen zu haben ( k Tab. 2). Probiotika bewirken … Senkung des pH-Wertes im Darm Verminderte Anheftung von Krankheitserregern an die Darmschleimhaut Produktion von Giften, die die Vermehrung anderer Bakterienstämme oder -arten hemmen (Bakteriozine) Verminderte Aufnahme von Bakterien und Giften in das Darmgewebe Verminderte Synthese körpereigener Stoffe, die Entzündungen hervorrufen Verstärkte Synthese körpereigener Stoffe, die das Entstehen von Entzündungen verhindern Tab. 2: Mögliche Auswirkungen von Probiotika. Einige Forschungsarbeiten deuten auf einen therapeutischen Nutzen mancher Probiotika hin, etwa bei Morbus Crohn, einer chronischen Ent­ zündung des Darms. Bei Durchfallerkrankungen gibt es ebenfalls positive Befunde. Dabei spielt der Zeitpunkt der Probiotika-Gabe eine wichtige Rolle. Auch bei einer Antibiotika-Therapie kann die Einnahme von Probiotika sinnvoll sein. Insgesamt ist zu beachten, dass unterschiedliche Bakterien höchst verschieden wirken können. Ein positiver Effekt für gesunde Menschen konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Probiotika sind meist Milchsäure­ bakterien Abb. 23: Hat Jogurt eine heilsame Wirkung? Aufgaben W 1 Beschreibe den Unterschied zwischen Pro biotika und Anti biotika. E 2 Zurzeit mangelt es an Forschungs­ arbeiten, die den Einsatz von Probiotika bei bestimmten Krankheiten wissenschaftlich untersucht haben. Bildet Gruppen und ent­ werft einen Versuchsplan, um die Wirkung von Probiotika zu testen. Beachtet dabei, dass eure Studie nachvollziehbar und aussage­ kräftig sein muss. Wie könnt ihr beweisen, dass eine von euch beobachtete Wirkung tat­ sächlich aufgrund der Probiotika und nicht wegen etwas anderem eingetreten ist? Lasst eure Studienidee von einer zweiten Gruppe begutachten: Kann sie alles nachvollziehen? Habt ihr etwas übersehen? S 3 Begründe, warum die Einnahme von Probiotika bei bzw. nach einer Behand­ lung mit Antibiotika sinnvoll sein kann. In welchem Fall würde die gleichzeitige Ein­ nahme keinen Sinn machen? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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