am Puls Biologie 5, Schulbuch

153 Humanökologie Landwirtschaft: Lebensgrundlage einer Bevölkerung Österreich verfügt derzeit über 1,4 Millionen Hektar Ackerland. Im Jahr 2014 wurden auf dieser Fläche 5,7 Mio. Tonnen Getreide geerntet. Das ist sogar etwas mehr, als für die Selbstversorgung 1 der österreichischen Bevölkerung notwendig ist. Trotzdem hat sich in den letzten Jahrzehnten ein grundlegender Wandel vollzogen: 1990 expor­ tierte Österreich über 1 Mio. Tonnen Getreide, v. a. hochwertigen Weizen, und führte im Gegenzug 22 000 Tonnen ein. 2014 hingegen betrug der Export 2 1,3 Mio. Tonnen, der Import aber fast 2 Millionen Tonnen. Das hat nicht nur mit einer wachsenden Bevölkerung zu tun. Besonders Billigweizen aus Osteuropa wird zunehmend für die Treibstoffherstellung verwendet. Anders ist die Situation bei Fleischprodukten. Hier stellt Österreich seit Jahren wesentlich mehr her als für den Eigenbedarf nötig wäre. Daher wird ein großer Teil an andere Länder verkauft. Allerdings benötigen Tiere Futtermittel, weshalb insbesondere Soja in bedeutenden Mengen ein­ geführt wird. Die Sojabohnen werden beispiels­ weise in Brasilien angebaut – diese Flächen fehlen dort aber für die Erzeugung von Nahrungs­ mitteln für die lokale Bevölkerung (siehe S. 152). Dieses Missverhältnis wird noch dadurch ver­ schärft, dass die Produktion von Fleisch wesentlich mehr Energie benötigt als die von pflanzlicher Nahrung. Denn bei jeder Energie­ umwandlung geht nutzbare Energie verloren. Das geschieht auch bei der Gewinnung von Ener­ gie aus Nahrung. Deswegen sind ungefähr 6,3 kg Getreide an Futter nötig, um 1 kg Rindfleisch zu erzeugen. Bei Obst, Gemüse und Fisch liegt der Grad der Selbstversorgung nur zwischen 20 und 40%. Während es relativ einfach wäre, mehr Obst und Gemüse anzubauen, ist eine Ausweitung der Fischzucht nur eingeschränkt möglich. Der Ver­ zehr von Fisch wird insbesondere wegen seines hohen Gehalts an Omega-3-Fettsäuren emp­ fohlen. Leinsamen, Walnuss oder Rapsöl könnten jedoch einen Großteil dieses Bedarfs decken. Zurzeit essen allerdings zu viele Österreiche­ rinnen und Österreicher zu viel Fleisch. Laut einer Wiener Forschungsgruppe reichten die Ackerflä­ chen für diese Ernährungsweise nicht, wenn man keine Futtermittel mehr einführte. Hingegen wäre bei ausgewogener Ernährung eine kom­ plette Selbstversorgung möglich. Nun muss man nicht ganz auf Fleisch verzichten – nur sollte es weniger sein. Österreich importiert Getreide, obwohl die eigene Produk­ tion reichen würde Österreich war traditionell eine Agrar- und Forstnation Noch vor 150 Jahren arbeiteten drei Viertel der österreichischen Bevölkerung in der Landwirt­ schaft – heute sind es weniger als drei Prozent. Doch während 1970 eine Bäuerin oder ein Bauer 4 Menschen ernährte, sind es aktuell 77. Die Pro­ duktivität der Landwirtschaft hat enorm zuge­ nommen. Neben technischem und chemischem Fortschritt (siehe S. 148) trugen Flurbereinigung 3 , Entwässe­ rungssysteme und der großflächige Anbau eini­ ger weniger Hochertragssorten dazu bei. Zudem wurden Tiere gezüchtet, die wesentlich mehr Milch abgeben und schneller wachsen als früher. Die höhere Produktivität hatte aber ihren Preis: Die Zahl der Höfe nahm ab, gerade kleinere Betriebe waren nicht mehr wettbewerbsfähig. Jährlich geben zwei Prozent der Höfe auf. Von den verbliebenen arbeitet die Hälfte im Neben­ erwerb. Dennoch nutzt die Landwirtschaft noch immer einen großen Teil der Fläche Österreichs. Die flächenmäßig größte Bedeutung hat aber die Forstwirtschaft ( k Abb. 6). Es gibt in Österreichs Wäldern 65 verschiedene Baumarten und insge­ samt etwa 3,4 Milliarden Bäume, wobei etwa die Hälfte aller Bäume Fichten sind. Ein Bauer oder eine Bäuerin in Öster­ reich ernährt heute 77 Menschen 45% 16% 17% 7% 10% 4% 1% Ackerland intensiv genutztes Grünland extensiv genutztes Grünland alpines Grasland Wein-/Obstbau Forstwirtschaft/Wald sonstige Flächen (Gewässer, Bebauung, Ödland, Felsen, etc.) Abb. 6: Flächennutzung in Österreich. Glossar 1 Selbstversorgungsgrad: Anteil einer selbst hergestellten Ware in Bezug auf den Bedarf: Liegt er über 100%, produziert ein Land mehr als benötigt, liegt er unter 100%, muss diese Ware importiert werden 2 Import/Export: Ein-/Ausfuhr von Waren 3 Flurbereinigung: Zusammenlegung kleinerer Anbauflächen zu größeren Ein­ heiten, zB durch Tausch oder Ankauf Aufgabe S 1 Viele Getreidesorten, aber auch Raps und Zucker werden heutzutage zur Pro­ duktion von so genanntem Biodiesel oder Bioalkohol verwendet. Seit Jahren wird heiß diskutiert, ob Nahrungsmittel zur Erzeugung von Treibstoffen eingesetzt werden dürfen. Sammle Argumente dafür und dagegen und bewerte diese Vorgangsweise. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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