am Puls Biologie 5, Schulbuch

104 Tracheen: Belüftungssystem für den Körper Während höher entwickelte Wassertiere fast ausschließlich mit Kiemen atmen, haben sich bei Landtieren recht unterschiedliche Atmungs- systeme entwickelt. Bei Tausendfüßern und In- sekten entstand ein einzigartiges Belüftungssys- tem: die Tracheen 1 . Tausendfüßer und Insekten (diese Tiergruppen werden auch als Tracheata zusammengefasst) besitzen einen harten, wasserdichten Chitinpan- zer. Dieser Panzer schützt die Tiere vor Verlet- zungen und Austrocknung. Zugleich schränkt er aber die Hautatmung fast völlig ein, so dass ein Atmungssystem nötig ist. Besonders Insekten haben einen hohen O 2 -Bedarf, denn sie besitzen einen sehr leistungsfähigen Stoffwechsel – v. a. das Fliegen benötigt sehr viel Energie. Die Lösung sind im Wesentlichen „Löcher in der Rüstung“: Am Hinterleib, manchmal auch an der Brust, befinden sich seitlich mehrere Öffnungen, die als Stigmata 2 oder Atemlöcher bezeichnet werden. Durch die Stigmata gelangt Luft in dün- ne Röhren, die den ganzen Körper durchziehen. Diese Röhren heißen Tracheen ( k Abb. 11). Diese Beschreibung klingt recht einfach, doch bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass das Tracheensystem sehr kompliziert ist. Schon die Stigmata sind nicht einfach nur Löcher, son- dern komplexe Gebilde, die vielfach Schutzvor- richtungen oder Schließmechanismen besitzen. Die Tracheen selbst besitzen eine Versteifung aus Chitin – man könnte sagen, der Chitinaußenpan- zer reicht in den Körper der Insekten hinein. Da- durch sind die Tracheen stabil und werden nicht vom umliegenden Gewebe flach gedrückt. Nach- teilig ist dabei, dass Insekten bei der Häutung auch die chitinisierten Tracheen mithäuten müs- sen. Dies ist ein aufwändiger Vorgang, der unter Umständen mit tödlichen Verletzungen des Tie- res enden kann. Wie in Abbildung 11 zu sehen ist, sind die Tra- cheen im ganzen Körper verteilt. Im Unterschied zu den kompakten Lungen der Landwirbeltiere benötigt es daher kein aufwändiges Kreislauf- system, um den Sauerstoff zu den Zellen zu befördern. Die Gasverteilung erfolgt großteils passiv durch Diffusion durch die Röhren. Ledig- lich besonders große oder aktive Insekten sorgen durch Pumpbewegungen des Körpers für aktive Durchlüftung. Dennoch ist die Leistungsfähigkeit dieses Atmungssystems beschränkt (im Vergleich zur Kombination aus Lungen und Blutkreislauf bei Landwirbeltieren). Daher ist die maximale Größe der Insekten auch auf einige Zentimeter begrenzt. Im Erdaltertum (Paläozoikum), zu einer Zeit mit besonders hohem Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre, gab es dagegen Libellen mit bis zu 50 cm Körperlänge. Tracheen befördern den Sauerstoff direkt zu den Zellen. Stigmata sind Atemlöcher, die die Tracheen mit der Umwelt verbinden Struktur und Funktion Abb.11: Tracheen der Insekten. Ein Röhrensystem durchzieht den Körper und versorgt alle Bereiche direkt mit Sauerstoff. Luftsäcke wirken als Blasebälge, um die Luftzirkulation zu verstärken. Trachee Luftsack Durch die Tracheen gelangt die Luft zu den Muskeln und den inneren Organen. Die Luftsäcke im Tracheensystem wirken als Blasebälge, wenn sich das Insekt bewegt. Durch kleine Öffnungen in der Brust und am Hinter- leib kommt die Luft in das Insekt. Glossar 1 Tracheen: Bezeichnung für (oft durch Ringe versteifte) Röhren. Nicht nur die Atmungsröh- ren der Insekten werden so bezeichnet, auch die Wassertransportgefäße der Pflanzen heißen Tracheen. Der Begriff stammt ab vom lateinischen Wort für Luftröhre, trachea , das sich vom griechischen Begriff für rau, trachys , ableitet. Kleinere Insektentracheen werden als Tracheolen bezeichnet, kleinere Pflanzen- tracheen als Tracheiden. 2 Stigmata (Einzahl Stigma): Der Begriff stammt vom griechischen Wort für Wundmal oder Brandmal und wird in vielen Bedeutun- gen verwendet, etwa für die Wundmale Jesus Christi, Schandmale (im sozialen Bereich), so- wie in mehreren Bedeutungen in Biologie und Psychologie. Basiskonzept Struktur und Funktion: Das Prinzip der Oberflächenvergrößerung ist in der Bio- logie allgegenwärtig. Alle Atmungsorgane ar- beiten nach diesem Prinzip. Tracheen, Kiemen und Lungen erhöhen die Fläche, an der Diffu- sion auftritt, oft um das Hundertfache. Wäh- rend Kiemen Ausstülpungen der Haut sind, so sind Tracheen und Lungen Einstülpungen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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