Bausteine Geschichte 4, Schulbuch

94 Erinnerungspolitik Offizieller Umgang mit Erinnerung Der Opfermythos … Tausende Österreicherinnen und Österreicher waren Opfer des Nationalsozialismus geworden. Doch es gab auch österreichische Täterinnen und Täter. Sie leiteten zum Beispiel Konzentrationslager, beteiligten sich an Massenerschießungen oder waren als SS-Soldaten für die „Shoah“ mitverantwortlich gewesen. Tausende profitierten von der Enteignung der jüdischen Bevölkerung, duldeten Verfolgung, Unrecht und Mord. Nach dem Krieg wollte niemand für diese Verbrechen verantwortlich sein. Die schlechte Versorgungslage, die Nöte des Alltags und die „Moskauer Deklaration“ verleiteten zum Glauben, nur Opfer und nicht auch Täterinnen und Täter gewesen zu sein. Dass viele Österreicherinnen und Österreicher den Anschluss begrüßt hatten, wurde bis 1991 nicht thematisiert – auch nicht in Schulbüchern. …und seine Widersprüche Innenpolitisch gesehen, wurden nach Ende des Zweiten Weltkrieges die gefallenen Soldaten als „Helden der Pflichterfüllung und Tapferkeit“ mittels Kriegerdenkmälern geehrt. Von „Opfern eines Krieges, den kein Österreicher wollte“, war nicht mehr die Rede. Der österreichische Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die in dieser Zeit begangenen Verbrechen wurden heruntergespielt. Entschädigungszahlungen an Opfer des Nationalsozialismus und deren Angehörige gab es keine. Ebenfalls unmittelbar nach Kriegsende begannen aber auch die Überlegungen zur Gestaltung der Gedenkstätte Mauthausen. Es kam zur Gründung von Opferverbänden, deren Angehörige rasch mit der Dokumentation begannen. Mauthausen sollte eine Gedenkstätte für die Verstorbenen und die Überlebenden werden. Denkmäler aus vielen Nationen wurden aufgestellt. A B Foto des Mahnmals gegen Krieg und Faschismus des Künstlers Alfred Hrdlicka, Albertinaplatz (Foto, Fotograf Harald John, 2016, Wien) 2 Quelle: Opfermythos und Moskauer Deklaration (Zitat Leopold Figl, 19.8.1945) Bereits 1943 wurde die Moskauer Deklaration von Vertretern der britischen, amerikanischen und russischen Regierungen unterzeichnet. Darin erklärten die alliierten Außenminister, was nach dem Krieg mit Österreich geschehen sollte. Von Österreich war als „… erstes, freies Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer“ gefallen sei, die Rede. Deshalb sollte „ein freies unabhängiges Österreich wiederhergestellt“ werden. Niemand widersprach. „Sieben Jahre schmachtete das österreichische Volk unter dem Hitlerbarbarismus. Sieben Jahre wurde das österreichische Volk unterjocht und unterdrückt, kein freies Wort der Meinung, kein Bekenntnis zu einer Idee war möglich, brutaler Terror und Gewalt zwangen die Menschen zu blindem Untertanentum.“ 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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