Bausteine Geschichte 4, Schulbuch

86 Österreichs Aufstieg Eine Gesellschaft im Konsens* Die Sozialpartnerschaft Vor dem Zweiten Weltkrieg standen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer meist feindselig gegenüber. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die wirtschaftlichen Probleme im Land groß waren, entwickelte sich eine Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden*. Bis heute arbeiten diese in der „Paritätischen Kommission* für Lohn- und Preisfragen“ zusammen. Ihre Entscheidungen werden von allen Sozialpartnern, also den Interessensvertretern der Arbeitgeberinnen/ Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen/­ Arbeitnehmer, anerkannt. Deshalb herrscht in Österreich bis heute sozialer Friede und es gab kaum Streiks. Das war Voraussetzung für ein Wirtschaftswachstum, das allen nutzte. Der Sozialstaat 1956 beschloss die Regierung ein neues Sozialversicherungsgesetz. Es sollte auch Menschen mit geringem oder keinem Einkommen soziale Sicherheit bieten. Im Sozialstaat gibt es eine kostenlose medizinische Versorgung und finanzielle Unterstützung bei Krankheit, im Alter oder bei Arbeitslosigkeit. Schulbesuch und Schulbücher sind gratis, damit alle Kinder gute Chancen auf Bildung haben. Der Sozialstaat verbesserte damals die Lebensbedingungen in Österreich. Die Sozialleistungen werden durch Beiträge der Arbeitgeberinnen/Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer und aus Steuern finanziert. Weil die Menschen immer älter werden, müssen immer mehr Pensionen bezahlt werden. Wenn nun immer weniger Menschen arbeiten, sinken die Einnahmen der Sozialversicherungen und auch die Steuereinnahmen des Staates. Vorsorge wird zur Privatsache, sobald der Staat nicht genug Geld für die Sozialleistungen hat. A B Zeit der Alleinregierungen (= eine Partei bildet die Bundesregierung): Bruno Kreisky (Foto, Fotograf Friedrich Muhr, 20. Jahrhundert) Von 1966 bis 1970 erhielt die ÖVP die absolute Mehrheit der Mandate im Nationalrat. Sie bildete eine Alleinregierung. Von 1970 bis 1971 bildeten die SPÖ (unter Bruno Kreisky) und die FPÖ eine Minderheitenregierung. Zusammen verfügten sie daher zwar nicht über die Mehrheit, bildeten aber die Regierung. Zwischen 1971 und 1983 erhielt die SPÖ mehr als 50 Prozent der Stimmen. Dreimal war Bruno Kreisky Bundeskanzler einer Alleinregierung. Sein wichtigstes Ziel war die Vollbeschäftigung. Deshalb machte die Regierung Schulden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Viel Geld wurde in die verstaatlichte Industrie oder den Ausbau von Autobahnen investiert, um Arbeitsplätze zu schaffen. 2 Zeit der Koalitionen (= zwei oder mehrere Parteien bilden die Bundesregierung*): Bruno Pittermann (SPÖ), Leopold Figl und Bundeskanzler Julius Raab (ÖVP) (Foto, 1959) Von 1947 bis 1966 bildeten ÖVP und SPÖ immer wieder eine „Große Koalition“. Darunter versteht man die Zusammenarbeit von zwei Parteien, die die meisten Mandate bei einer Wahl erhielten. Die ÖVP stellte den Bundeskanzler. Bei den Verhandlungen zu dieser „Großen Koalition“ wurde der Proporz beschlossen: Alle wichtigen Posten im Staat wurden zwischen den beiden Großparteien aufgeteilt. 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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