Bausteine Geschichte 4, Schulbuch

8 Kein Kaiser mehr in Österreich Die Erste Republik* Ein schwieriger Beginn Am 11. November 1918 verzichtete Kaiser Karl I. darauf, weiter zu regieren. Als am Tag darauf die Republik ausgerufen wurde, gab es bewaffnete Auseinandersetzungen und viele offene Fragen: • Sollte der neue Staat Deutsch-Österreich kommunistisch regiert werden? • Sollte eine Demokratie* angestrebt werden? • Sollte sich Österreich an Deutschland anschließen? • Welche Grenzen würde der neue Staat haben? • Wie sollten die wirtschaftlichen und sozialen Probleme gelöst werden? • Wie könnte den hungernden Menschen geholfen werden? Friedensvertrag Nach dem Friedensvertrag von St. Germain* vom 10. September 1919 erhielt der neue Staat den Namen Österreich. Auch die neuen Grenzen wurden bestimmt. Über den Verlust von Gebieten, besonders den von Südtirol, waren viele Menschen enttäuscht. Ein Zusammenschluss mit Deutschland wurde verboten. Von ihm hatten sich viele Menschen eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme erwartet. Dass das nun klein gewordene demokratische* Österreich seine Probleme alleine lösen könnte, wurde von Teilen der österreichischen Bevölkerung bezweifelt. Im Februar 1919 fanden erstmals Wahlen, an denen auch Frauen teilnehmen konnten, statt. Die Christlichsozialen, die Sozialdemokraten und die Großdeutschen erhielten die meisten Stimmen. 1920 gelang es, Österreich eine demokratische Verfassung* zu geben. Sie ist mit einigen Änderungen noch immer gültig. A B Karl Renner (Foto, 1950) Dr. Karl Renner sollte die Friedensverhandlungen für Österreich in St. Germain leiten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Österreichs erster Staatskanzler. Als österreichischer Bundespräsident war er von 1945– 1950 im Amt. 2 Quelle: Regierungsverzicht Kaiser Karls I. am 11. November 1918 Nach dem Tod Kaiser Franz Josephs im Jahr 1916 übernahm Karl I. die Macht in Österreich-Ungarn. Vergeblich wollte er in Geheimverhandlungen einen Friedensschluss mit den Entente-Staaten erreichen. Am 11. November 1918 verzichtete er auf die Herrschaft. Von der Schweiz aus versuchte er, in Ungarn nochmals die Monarchie herzustellen. Deshalb wurde er von den Siegermächten auf die Insel Madeira verbannt. Dort starb er 1922. „Seit meiner Thronbesteigung war ich unablässig bemüht, Meine Völker aus den Schrecknissen des Krieges herauszuführen, an dessen Ausbruch ich keinerlei Schuld trage. Ich habe nicht gezögert, das verfassungsmäßige Leben wiederherzustellen und habe den Völkern den Weg zu ihrer selbständigen staatlichen Entwicklung eröffnet. Nach wie vor von unwandelbarer Liebe für alle Meine Völker erfüllt, will ich ihrer freien Entfaltung Meine Person nicht als Hindernis entgegenstellen. Im Voraus erkenne ich die Entscheidung an, die Deutschösterreich über seine künftige Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Gleichzeitig enthebe ich Meine österreichische Regierung ihres Amtes. Möge das Volk von Deutschösterreich in Eintracht und Versöhnlichkeit die Neuordnung schaffen und befestigen. Das Glück meiner Völker war von Anbeginn das Ziel Meiner heißesten Wünsche. Nur der innere Friede kann die Wunden dieses Krieges heilen.“ 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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