Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

75 Jagoda Marinić: Ausgestochen (2001) Er sitzt am Tisch des Cafés und erzählt mir von dieser Frau, der er begegnet ist, davon, wie glücklich er ist, dass er sie kennt. Sie scheint erschreckend bezaubernd zu sein, die Art von Frau, die ich immer beneidet habe, die ich nie um mich herum haben wollte, aus Angst, nichts mehr zu sein neben jemandem, der so viel ist. Mit jedem seiner Sätze schnürt er mir mehr und mehr die Kehle zu. Ich hebe den Blick von meinem Cappuc- cino zu seinen Augen, muss in ihnen sehen, wie un- erreichbar sie ist, die Frau seiner Träume, und zum ersten Mal verabscheue ich die Welt seiner Träume, für das, was sie ihm an Träumen so schickt. Er rührt die Milch in seinemKaffee um, strahlt mich an und scheint nicht die geringste Ahnung zu haben, nicht das kleins- te Gespür dafür, was er mir mit seinen Erzählungen über sie, über seine Gefühle zu ihr antut. Er denkt, es freut mich, er denkt, ich fühle mit ihm, freue mich mit ihm, aber mir tut es nur weh, dass er sie kennt und dass er sie so sieht. Sie ist so stark, so stark, wie ich nie war Bertolt Brecht: Liebe zu wem? Von der Schauspielerin Z. hieß es, sie habe sich aus unglücklicher Liebe umgebracht. Herr Keuner sagte: „Sie hat sich aus Liebe zu sich selbst umgebracht. Den X. kann sie jedenfalls nicht geliebt haben. Sonst hätte sie ihm das kaum angetan. Liebe ist der Wunsch, etwas zu geben, nicht zu erhalten. Liebe ist die Kunst, etwas zu produzieren mit den Fähigkeiten des andern. Dazu braucht man von dem andern Achtung und Zuneigung. Das kann man sich im- mer verschaffen. Der übermäßige Wunsch, geliebt zu werden, hat wenig mit echter Liebe zu tun. Selbstliebe hat immer etwas Selbstmörderisches.“ und gewiss auch nie sein werde, es liegt nicht in mei- ner Natur. Ich bin stark im Schwachsein, aber das in- teressiert ihn gerade, während er mir von ihr vor- schwärmt, nicht im Geringsten. Nach einer Ewigkeit des Gelähmtseins frage ich mich, woher diese Frau ei- gentlich ihre Großherzigkeit, ihren Zauber nimmt, ob sie denn überhaupt etwas Menschliches an sich hat, frage ich mich – nicht ihn. Von ihm habe ich ja schon unzählige Versionen darüber gehört, wie übermensch- lich er sie findet, geradezu göttlich. Wie er zu seinem nächsten Satz ausholt, packe ich meine Tasche. Ich kann mir das nicht länger anhören. Ich dachte, ich fühle mit ihm, ich dachte, wir teilen etwas miteinan- der, und dann erzählt er mir ständig nur von ihr, lässt diese Hymne an diese verdammte Person, mit der ich es ohnehin nicht aufnehmen kann, nie ausklingen. Nie. Ich hasse ihn jetzt, hasse ihn mit meinem Blick, den ich ihm zuwerfe, bevor ich aufstehe und das Café verlasse. Und weiß, er sieht ihr nach und versteht sie plötzlich nicht mehr. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 2 4 6 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 bei Zuwandererkindern anders: „Lediglich die Hälfte der Mädchen und nur 41 Prozent der Jungen aus Mig- rantenfamilien erhalten eine Verhütungsberatung im Elternhaus.“ Für sie sei die Schule die wichtigste An- laufstelle, wenn es um sexuelle Aufklärung geht. Für die Studie wurden 3542 Jugendliche befragt, davon rund tausend Kinder aus Zuwandererfamilien. Dass die Mädchen und Jungen bei diesen Befragungen nicht geprahlt oder gelogen haben, das zeigen Pott zufolge auch zahlreiche andere Studien und Statistiken. So be- lege etwa die abnehmende Zahl der HIV-Infektionen und Teenagerschwangerschaften, dass sich die Jugend- lichen tatsächlich sehr gewissenhaft verhalten. Von „der bravsten Generation seit langem“, spricht auch Klaus Farin vom „Archiv der Jugendkulturen“. Er beobachtet seit langem verschiedenste Jugendszenen, Punks, Skins, HipHoper. Er sagt, dass die Jugendlichen nicht nur sexuell zurückhaltender seien als früher. Auch die Jugendkriminalität gehe zurück, ebenso der Tabak- und Drogenkonsum. Dafür würden sich mehr Jugendliche als früher politisch engagieren. Bundeszentralen-Direktorin Pott glaubt, dass die „ver- rohte Generation Porno“ ein Medienphänomen ist. „Natürlich gibt es Einzelfälle“, sagt sie, aber sie wären keineswegs repräsentativ für die Masse. Wir scheinen also von einer „sexuellen Tragödie“ ziemlich weit ent- fernt zu sein. 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüten Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch Und Freud‘ und Wonne Aus jeder Brust. O Erd‘, o Sonne! O Glück, o Lust! O Lieb‘, o Liebe! So golden schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höhn, Du segnest herrlich Das frische Feld, Im Blütendampfe Die volle Welt. O Mädchen, Mädchen, Wie lieb‘ ich dich! Wie blickt dein Auge, Wie liebst du mich! So liebt die Lerche Gesang und Luft, Und Morgenblumen Den Himmelsduft, Wie ich dich liebe Mit warmem Blut, Die du mir Jugend Und Freud‘ und Mut Zu neuen Liedern Und Tänzen gibst. Sei ewig glücklich, Wie du mich liebst. Johann Wolfgang von Goethe: Mailied 2 4 14 16 26 28 6 8 18 20 30 32 10 12 22 24 34 36 Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eig nt m des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=