Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

SprAChrAuM 8 Ungehorsam, Entrüstung, Widerstand 70 Besprechen Sie zunächst gemeinsam in der Klasse, wie die Schülerinnen und Schüler (vgl. Aufgabe 8.4) ihre Interpretationsaufsätze anlegen könnten, d. h. mit welchen (weiteren) Argumenten bzw. (weiteren) Textstellen sie ihre Interpretation stützen könnten. Sammeln Sie in einem nächsten Schritt Belege aus dem Gedichttext für Ihren eigenen Interpretationsansatz. Machen Sie sich dazu stichwortartige Notizen. 8.6 Interpretationshypothesen sind Annahmen über einen (literarischen) Text, die leitend für die Bearbeitung einer interpretativen (deutenden)Schreibaufgabe zu diesem Text sein sollten. Mit anderen Worten: Wenn Sie in einer Schreibaufgabe einen Text deuten (interpretieren) sollen, müssen Sie zunächst eine Deutung entwickeln und dann in der Aufgabe Begründungen dafür vorbringen, dass Ihre Deutung richtig oder doch nachvollziehbar ist. Für das Interpretieren eines Textes gibt es eine „einfache“ Grundregel : Was immer Sie über einen Text sagen oder schreiben, Sie müssen es am bzw. durch den Text belegen können. Das Interpretieren eines Textes ist deshalb auch ein Prozess: - Sie lesen den Text und formulieren für sich eine erste Deutungsvermutung. - Sie prüfen dann am Text, was für und was gegen diese erste Vermutung spricht. Auf der Grundlage dieser Beschäftigung mit dem Text präzisieren Sie (oder verändern) dann Ihre erste Deutungsvermutung und formulieren eine zweite Deutung. - Wieder prüfen Sie am Text, was für und was gegen diese zweite Deutung spricht. Gegebenenfalls müssen Sie Ihre Deutung wieder verändern oder präzisieren und erneut am Text prüfen. - Diesen Wechsel aus dem Formulieren von Thesen zur Textdeutung und deren Überprüfung am Text sollten Sie so lange fortsetzen, bis Sie (ziemlich) sicher sind, dass keine zentrale Textstelle gegen Ihre Interpretation spricht. Schon das Formulieren einer ersten Vermutung zur Deutung eines Textes ist nicht einfach. Allgemeine Ratschläge lassen sich auch nur schwer formulieren, da jeder Text anders sein kann. Folgende Aspekte aber haben sich bei vielen Texten als hilfreich erwiesen: ƒƒ Bewertung der inhaltlichen Entfaltung im Text – Prüfen Sie: Wie stellt sich die Situation am Textanfang dar, wie am Schluss? Wie kommt es zu dieser Veränderung bzw. warum verändert sich nichts? ƒƒ Untersuchung auffälliger Textmerkmale (Bildlichkeit, Motivstruktur, rhetorische Figuren, …) – Prüfen Sie: Welche Wirkung üben diese Merkmale aus? Wie ergänzen sich die Merkmale? Lassen sich diese Merkmale zu einem übergeordneten Merkmal zusammenfassen (z. B. zu einem übergeordneten Motiv oder einer übergeordneten Aussage)? ƒƒ Bezug des Titels auf den Text – Prüfen Sie: Welche Erwartungen weckt der Titel? Wie werden Sie erfüllt bzw. nicht erfüllt? Welche zentralen Textstellen beziehen sich auf den Titel? Wie? ƒƒ Bezüge zur Gegenwart/der aktuellen Situation der heutigen Leserinnen und Leser – Prüfen Sie: Spricht Sie der Text an? Warum bzw. warum nicht? Entspricht der Text meinen eigenen Erfahrungen? ƒƒ Bezüge zur Epoche, zur Autorenbiografie – Prüfen Sie: Inwieweit erfüllt der Text die Erwartungen, die Sie an die Epoche bzw. den Autor/die Autorin haben? Warum bzw. warum nicht? Beachten Sie in jedem Fall genau die jeweilige Aufgabenstellung, die oftmals Hinweise auf die Deutung des Textes enthält. Zur Erinnerung: Unter einem Motiv versteht man zentrale Elemente eines Stoffs, die bei der künstlerischen Gestaltung wiederholt aufgegriffen werden und für die Bedeutung eines Textes wichtig sind. Motive können z. B. Handlungssituationen (Abschied, …), Figurenkonstellationen (eifersüchtiger Ehemann, …), zentrale Beweggründe für das Handeln der Figuren (Gier, …), aber auch Gegenstände (das rote Halstuch, …) oder Vorgänge (Sturm, …) u. a. sein. Achten Sie bei der Untersuchung der Motivstruktur eines Textes auf: ƒƒ den Titel und zentrale Schüsselwörter ƒƒ das Thema eines Textes ƒƒ Wiederholungen und semantische Ähnlichkeiten (z. B. „Blut“ und „rot“, …) Entwickeln Sie zu weiteren Texten – z. B. Robert Walser: Der verlorene Sohn (S. 22 f.), Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker (S. 40 f.) oder Ingeborg Bachmann: Freies Geleit (S. 48) – analog zu den Aufgaben 8.1 bis 8.3 Interpretationshypothesen und prüfen Sie (vgl. Aufgabe 8.6), wie diese durch die jeweiligen Texte gestützt werden können. Sie können dabei alleine arbeiten, sich aber auch mit Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern absprechen. 8.7 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz Interpretationskompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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