Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

7 Thomas Hödlmoser/Christian Resch: Gesichert für die Ewigkeit? „iezt wünsch ich eine gute nacht, scheissen sie ins beet daß es kracht; schlafens gesund, reckens den arsch zum mund, ich gehe izt nach schlaraffen, und thue ein wenig schlaffen.“ So schrieb ein junger Mann mit dem Namen Wolfgang Amadé Mozart im November 1777 an seine Cousine, das „bäsle häsle“ in Augsburg. Den Vorgängen im menschlichen Ver- dauungstrakt räumte Mozart, „Edler von Sauschwanz“, in seinen Briefen an die Cousine viel Platz ein. Es wäre ein Jammer, hätte er schon einHan- dy besessen – die Nachwelt wüsste nichts von den schelmischen Sprüchen, die dasMusikgenie während der Reise nach Paris zu Papier brachte. Denn heute würde sich Mozart wohl via SMS mit dem „Bäsle“ austauschen – und allzu freche digitale Nachrichten beizeiten wieder löschen. Schließlich wird jetzt so gut wie alles digital mitge- teilt. Die Liebeserklärung kommt via SMS – und wird gelöscht, bevor sie der Ehepartner auf dem Handy entdeckt. Die Ansichtskarten, die früher jahrelang die Pinnwände der Büros zierten, sind verschwun- den, weil Fotos aus demUrlaub über WhatsApp ver- schickt werden. Briefe schreibt kaum noch jemand, dafür umso mehr E-Mails. Letztgenannte werden spätestens dann in Bausch und Bogen gelöscht, wenn das Postfach voll ist. Wer nicht aufpasst und E-Mails die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Verzögerungen kommt − jenes Phänomen, das Nutzer buchstäblich zumKotzen finden. Gerade die Smartphone-Anwen- dungen dürften deshalb weniger opulent daherkom- men, und dennoch viel Rechenkraft benötigen, so- dass Handy-Batterien in Rekordzeit ausgesaugt wer- den. Ein anderes ungelöstes Problem in der VR-Welt liegt unterhalb des Halses – denn bislang gibt es noch kein Patentrezept, um Körperbewegungen dort abzubil- den. In einigen Prototypen-Anwendungen bewegt sich der Nutzer noch per Konsolen-Controller, ein ziemlich altbackenes Rezept für die neuen Wunder- welten. Die Alternativen sind vielfältig und haben neue Hardware-Hersteller auf den Plan gerufen: Eine Fir- mamit demNamenOptitrack bietet Tausende Dollar teure Kamera-Systeme an, die Nutzer-Bewegungen minutiös verfolgen, aber viel Platz brauchen. Das Hongkonger Startup Perception Neuron verkauft eine Art Sensoren-Überwurf inklusive Datenhand- schuh, der die Bewegungen überträgt. Virtuix Omni sieht wie ein Fitnessgerät aus, es umschließt die Hüf- ten des Spielers lässt ihn auf der Stelle laufen, damit er in der virtuellen Welt vom Fleck kommt. Und HTC-Partner Valve hat mit Lighthouse ein System mit besonderer Relevanz nicht zuvor sichert, elimi- niert möglicherweise wertvolle Inhalte per Mausk- lick. Fotos von Familienfeiern und Ausflügen waren frü- her eine Besonderheit. Jeder Filmkostete bares Geld, umso mehr Mühe gab man sich deshalb beim Foto- grafieren, umso genauer wurde jedes Bild ausge- wählt, ins Fotoalbum geklebt und dann fein säuber- lichmit einemBildtext versehen. Heute wird zu jeder Zeit alles festgehalten. Es gibt eine Unmenge an Fo- tos, die dann unbeachtet irgendwo auf einer Festplat- te versteckt schlummern. „Ich habe meine Diplomarbeit 1994 auf Diskette ge- speichert. Jetzt passt die Diskette in keinen Compu- ter mehr.“ „Nein, dieses Handyfoto von unserem Ausflug hab ich nicht mehr, weil das Handy kaputt gegangen ist.“ „Die ersten Worte unserer Kinder? Die können wir nicht mehr abspielen – das Aufnahmegerät hat den Geist aufgegeben und die Kassette passt in neue Ge- räte nicht mehr rein.“ Solche Sätze hört man immer öfter. Im Alltag hat man den Eindruck, als würde die fortschreitende Technik langfristig dazu führen, dass von uns weit weniger in Erinnerung bleiben wird als von den Ge- nerationen vor uns, die Briefe, Tagebücher und angekündigt, das die Bewegungen von Daten- helm-Trägern per Laser vermisst. Womöglich aber spielt der Bewegungs-Faktor in der virtuellen Welt eine weniger große Rolle, als viele derzeit glauben. „Gamer müssen endlich aufhören zu glauben, dass das ihre Technologie ist“, sagt der Spielkultur-Experte Jamin Warren, der die Seite Kill Screen betreibt. „Womöglich werden die Menschen in der virtuellen Realität ästhetisch anspruchsvolle Rückzugsorte suchen.“ Statt durch 3-D-Umgebungen zu hetzen, könnten Menschen die Technologie für Sport-Übertragun- gen, den Besuch virtueller Reiseziele oder drei- dimensionale Videochats nutzen. Und auch die von Oculus-Technikchef Carmack beschriebene welt- weite Verbreitung der Datenbrillen hängt von Gerä- tepreisen, Breitband-Durchdringung der Entwick- lung unverzichtbarer Anwendungen und nicht zu- letzt einer weniger klobigen Form der Datenbrillen ab. Entsprechend liegen die Marktprognosen für das Jahr 2018 je nachOptimismus weit auseinander – die Schätzungen gehen von einer bis zu sieben Milliar- den US-Dollar. (Süddeutsche Zeitung, 06.03.2015; Auszug) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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