Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

69 Im Folgenden finden Sie einige von Schülerinnen und Schülern formulierte Interpretationshypothesen zum Gedicht „Niemand sucht aus“ von Gioconda Belli. Benennen Sie, auf welche Aspekte (vgl. Aufgabe 8.2) sich die Interpretationshypothesen beziehen. Diskutieren Sie über die Angemessenheit dieser Thesen in der Klasse. Beachten Sie, dass auch mehrere Thesen richtig sein können. Belegen Sie Ihre Meinung immer an den Texten und dem Gedicht selbst. a b 8.4 Interpretationshypothese 1 Das Gedicht „Niemand sucht aus“ von Gioconda Belli schildert die Situation der Menschen auf der Welt. Obwohl niemand sich sein Leben ausgesucht hat, fordert es dazu auf, das Leben anzunehmen und die Welt zu gestalten. Interpretationshypothese 2 Zentrales Gestaltungsmittel im Gedicht „Niemand sucht aus“ sind die Modalverben. Aus „müssen“ (V. 3) und dem „Nicht-Können“ (vgl. „kann … niemand“, V. 5, und „Niemand kann“, V. 6) wird „aber gestalten können wir“ (V. 10). Interpretationshypothese 3 Der Text „Niemand sucht aus“ von Gioconda Belli ist zwar in Verse und Strophen untergliedert, weist aber darüber hinaus keine wesentlichen Merkmale von Gedichten auf. Es handelt sich eher um Gedanken der Autorin zum Menschen und seinem Platz in der Welt. Die Gedanken der Autorin selbst sind dabei wenig originell bis falsch (Kommt es für ein gelungenes Leben denn darauf an, in welchem Land man geboren wird? Und warum sollte man das Land lieben, in dem man geboren wurde? Liebt man nicht vielmehr das Land, in dem man zufrieden lebt?). Interpretationshypothese 4 Das Gedicht „Niemand sucht aus“ fasst sehr gut die Stimmung vieler Jugendlicher zusammen, die sich oft nach ihrer Aufgabe im Leben und ihren Zielen fragen. Einerseits macht es Angst, weil es genau benennt, dass man leben muss und sich seiner Verantwortung nicht entziehen kann; anderseits macht es aber auch Mut dazu, aktiv zu leben. Interpretationshypothese 5 Zentrales Bild des Gedichts „Niemand sucht aus“ ist das des „Samenkorns“ (V. 11). Dieses Bild enthält den Gedanken des Wachsens, Gedeihens und des Tragens von Früchten. Genauso, wie sich ein Samenkorn nicht aussuchen kann, wo es wächst, kann dies auch der Mensch nicht; trotzdem wächst und blüht z. B. ein Weizenkorn bis zur Frucht. Entwickeln Sie eine erste Deutungsvermutung zu dem Gedicht „Niemand sucht aus!“, indem Sie: die inhaltliche Entfaltung im Text bewerten (Vergleich Textanfang und Textende); den Gedichttitel auf den Text beziehen; auffällige Merkmale des Textes (äußere Gestaltung, aber auch sprachliche Bilder, Motive, …) ermitteln und in ihrer Wirkung beschreiben; die Aussagen des Gedichts auf die aktuelle Situation heutiger Leserinnen und Leser beziehen. Formulieren Sie anschließend Ihre erste Deutungsvermutung schriftlich. a b c d 8.2 Überprüfen Sie – wie in der Wissensbox beschrieben – Ihre Deutungsvermutung so lange am Text, bis Sie sicher sind, dass keine zentrale Textstelle gegen Ihre Interpretation spricht. Formulieren Sie abschließend Ihre Interpretationshypothese. Überprüfen Sie auf der Grundlage der Diskussion der Interpretationshypothesen aus Aufgabe 8.4 noch einmal Ihre eigene Interpretationshypothese (vgl. Aufgabe 8.3) und präziseren Sie sie gegebenenfalls erneut. 8.3 8.5 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz Interpretationskompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=