Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

SprAChrAuM 6 Ökologie 50 Utan (Pongo pygmaeus) als vomAussterben bedroht eingestuft. Einer der Hauptgründe dafür: Wälder werden für Palmöl-Plantagen abgeholzt und damit der Lebensraum dieser Affen zerstört. Nach der Aus- wertung von Anbaulizenzen habenWissenschafter in einer Studie vor ähnlichen Gefahren für Gorillas, Schimpansen und Bonobos in Teilen Afrikas ge- warnt. Forscher aus Singapur und der Schweiz haben zudem nachgewiesen, dass durch solche Plantagen viele Vogelarten in Südostasien ausgestorben sind. (Der Standard vom 30.08.2016) 50 52 54 56 58 Johannes Lau: Strahlenwarnung für die Menschen der Zukunft Obelisken mit Zeichnungen? Strahlenkatzen? Mit welchen Botschaften künftige Generationen vor Atommüll gewarnt werden können, beschäftigt die Atomsemiotik Wien – Der Dialog zwischen den Generationen fällt nicht immer leicht. Wie aber verständigt man sich dann erst mit Menschen, die in vielen tausend Jahren den Planeten bewohnen werden? Diese Frage stellt sich auch die Atomsemiotik: In diesem Bereich der Wissenschaft der Zeichensysteme überlegen For- scher, mit welchen Methoden man spätere Kulturen an Endlagerstandorten vor radioaktiven Abfällen warnen kann. Auch in 100.000 Jahren wird dieses Material seine Gefahr nicht eingebüßt haben. Was sich dagegen mit Sicherheit verändert haben wird, ist der Mensch und seine Sprache. Deshalb ist davon auszugehen, dass spätere Generationen auch heute übliche Warnhin- weise nicht mehr als solche verstehen können. Warumgerade Zeichenwissenschafter helfen können, in ferner Zukunft die Bedrohung, die von radioakti- vem Material ausgeht, zu kommunizieren, erklärt Christian Trautsch von der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin: „Die Semiotik kann insofern imRahmen der Atommüllproblematik hilfreich sein, da sie eine Vielzahl von Theorien für die Klärung kommunikationstheoretischer Schwie- rigkeiten bereitstellt.“ Wandelnde Zeichen Die Kultur, die Sprache und auch der Mensch wan- deln sich schließlich – vor allem über einen derartig langen Zeitraum. Genauso wie uns archäologische Artefakte heute noch Rätsel aufgeben und ein Nean- dertaler nicht in der Lage wäre, mit uns zu sprechen, werden auch die Menschen von morgen in dem uns heute bekannten Nuklearsymbol vielleicht etwas völ- lig anderes sehen. „Um auf die Gefahren des Durchbrechens der Atom- müll-Schutzbarrieren hinzuweisen, wird man nicht umhinkommen, sichmit semiotischen Begriffen und mit den zu verwendenden Zeichentypen ausein- anderzusetzen und deren konkrete Realisierbarkeit zu prüfen“, erklärt Trautsch und betont: „Mitteilun- gen an eine ferne Zukunft müssten in der Lage sein, kodierte und dekodierbare Botschaften an antizipier- te Adressaten zu richten.“ Wie das zu bewerkstelligen ist, darüber zerbrechen sich Zeichenwissenschafter seit mehr als drei Jahr- zehnten den Kopf: Als Begründer der Disziplin gilt Thomas Sebeok, Semiotiker an der Universität Bloomington, der 1981 von der US-Regierung zum Leiter der Human Interference Task Force ernannt wurde. Sebeok wurde damit die Aufgabe zugeteilt, in einem Ausschuss aus Anthropologen, Geologen, Ingenieu- ren und Physikern eine Methode zu entwickeln, mit der Erdbewohner in der Zukunft vor den Gefahren der Endlager gewarnt werden sollten. Der Vorschlag des Arbeitskreises: Auf diesen Standorten sollten große Obelisken angeordnet werden – verziert mit Warnhinweisen in den sechs Uno-Sprachen und Zeichnungen von den Folgen atomarer Verseuchung. Seinerzeit wurde diese Idee nicht sonderlich ernst genommen – wie das ganze Fachgebiet lange Zeit insgesamt. Die Vorschläge derWissenschafter waren schließlich häufig sehr bizarr. Das zeigte auch eine Umfrage, die der Vorreiter der Disziplin im deutsch- sprachigen Raum, der Semiotikprofessor Roland Posner von der TU Berlin, 1984 durchführte: Der Mediziner und Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem wollte die Warnung durch einen mathematischen Code, der auf lebendemTrägermaterial transportiert werden sollte, weitergeben. Die Linguisten Françoise Bastide und Paolo Fabbri schlugen die Züchtung von „Strahlenkatzen“ vor, de- ren Fell sich in der Nähe von Atomabfällen verfärbt, während der Sozialwissenschafter Philipp Sonntag darüber nachdachte, Atomdatensätze auf einem künstlichen Mond im All zu speichern. Atompriesterzirkel Sebeok selbst steuerte sein Konzept von der „Atompriesterschaft“ bei – ein elitärer Zirkel, der das Wissen um die Gefahr über die Generationen rituell weitergibt. Er bezeichnete den Vorschlag später als Fehler, da er damit dazu beigetragen habe, die junge Disziplin früh der Lächerlichkeit preiszugeben. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 76 78 80 82 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 Textkompetenz Sprachreflexion Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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