Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Maturatraining

SprAChrAuM 4 Glück 32 Glück Das Recht des Menschen auf Glück hat sogar in eines der ersten Dokumente, welche die Menschenrechte verankern, Eingang gefunden, nämlich in die Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776. Doch kann man das Glück „messen“ und was bedeutet „Glück“ für „die“ Österreicherinnen und Österreicher? y3eu42 SprAChrAuM 4 Marcus Rohwetter: Fühl dich gut zum kleinen Preis Einkaufen bringt Glück – wenn man es richtig macht Schon alle Geschenke zusammen? Familie, Freunde, Kollegen bedacht und sich selbst auch etwas gegönnt? Gut so! Für Einzelhändler jedenfalls, für die ist Weih- nachten nämlich, nun ja: wie Weihnachten. Die schönste Zeit des Jahres. Aber wie fühlen sich die Kunden nach dem adventlichen Powershopping? Glücklich? Genervt? Beides zugleich? Die Frage, ob Konsum zu Glück führt, ist so alt wie die Überflussgesellschaft. Mit Werbern und Marke- tingexperten sollte man darüber nicht sprechen. Ebenso wenig sollte man auf sich selbst hören, sonst verwechselt man die leichte Beschwingtheit, die sich nach dem Erwerb von Schuhen oder teuren Arm- banduhren einstellen kann, versehentlich mit Glück. Die Antwort ist viel komplizierter. Schwierig ist ja schon, Glück überhaupt zu definieren. Am ehesten lässt es sich beschreiben als positiver und möglichst dauerhafter Zustand. Mehr Wohlbefinden als Rausch, wie eine tiefe Zufrieden- und Ausgegli- chenheit. Das ist ein sehr subjektives Gefühl, man kann sich ihm nur annähern. Konsum dagegen hat mit Möglichkeiten zu tun, die objektiv messbar sind. Man muss sich Konsum leisten können. Würde Konsum also glücklich machen, müsste es ei- nen Zusammenhang zwischen Geld und Glück ge- ben. Die Gleichung müsste lauten: Mehr Geld bedeu- tet mehr Möglichkeiten bedeutet mehr Konsum be- deutet mehr Glück. Doch diese Rechnung geht nicht auf, zumindest nicht immer. Daniel Kahneman und Angus Deaton, beide Träger des Wirtschaftsnobelpreises, haben dazu 2010 an der Universität Princeton eine interessante Studie vorgelegt. Dafür haben sie 450 000 Datensätze ausge- wertet, die Informationen über Einkommen und Wohlbefinden von US-Amerikanern enthielten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Wohlbefinden tatsächlich parallel zum Einkommen wachse, „aber nicht mehr jenseits eines Jahreseinkommens von un- gefähr 75 000 Dollar“. Dem damaligen Wechselkurs zufolge waren das etwa 60 000 Euro. Zumindest für Gutverdiener bedeutenmehr Konsummöglichkeiten irgendwann keinen Glückszuwachs mehr. Der zehn- te Ferrari macht einen Multimillionär nicht glückli- cher als der neunte. Unter Normalverdienern könnte das ganz anders sein – zumal Menschen soziale Wesen sind und sich ständigmit anderen vergleichen. Die Relation ist Teil des Glücksempfindens. Eine Gehaltserhöhung von 200 Euro würde einen Angestellten vielleicht glück- licher machen. Aber wenn er bemerkt, dass sein Bü- ronachbar 300 Euro mehr bekommen hat, verblasst das absolute Plus neben dem relativen Minus. Von den Einnahmen her lässt sich also nicht beant- worten, wie Konsum und Glück zusammenhängen. Aber genau genommen geht es ja auch ums Ausge- ben. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass der Kauf von Gegenständen weniger glücklich macht als der von Erfahrungen. Beispielsweise die Untersuchung eines Teams von Psychologen um Ryan Howell von der San Francisco State University. Wer sein Geld für Erlebnisse wieTheater- oder Restaurantbesuche aus- gebe, befanden sie, erhöhe sein Wohlbefinden, „weil diese höherwertige Bedürfnisse erfüllen, vor allem die nach Zusammengehörigkeit und Vitalität – dem Gefühl, am Leben zu sein“. Psychologische statt ma- terielle Bedürfnisse zu befriedigen, das scheint ein Weg zum Glück zu sein. Vorsicht, warnten zeitgleich Forscher der University of Texas in Austin und derWashington University in St. Louis. Erlebnisse machten zwar glücklicher als Gegenstände – aber nur, wenn sie selbst positive Er- fahrungen waren. Schlechte Erfahrungen hingegen hätten negativere Folgen als Fehlkäufe. Irgendwie logisch: Wer mit neuen Schuhen unzufrieden ist, kann sie umtauschen. Ein enttäuschender Urlaub lässt sich hingegen nicht ungeschehen machen. Er- lebnisse wirken nach, im Guten wie im Schlechten. Aber immerhin bestätigen auch diese Wissenschaft- ler die Verbindung von Erlebnissen und Gefühlen. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 Textkompetenz Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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