Sprachräume, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Übungsband

GRAMMATIK Verstöße gegen den richtigen Kasus operieren vernachlässigen sich zufügen erzählen besitzen sich wundern anbieten wünschen sich beweisen bedrängen aufwecken sich besehen anbieten beibringen sich berufen Bestimmen Sie den Kasus der grau markierten Satzglieder (Ersatzproben vornehmen!). Ü 5 , (Die folgenden – teilweise gekürzten oder leicht veränderten – Texte stammen aus Gerold Späths „Commedia“, das sind 203 fingierte Lebensgeschichten, die ein Bild unserer Welt geben sollen. – Aus: Gerold Späth, Commedia. Auswahl. – Reclam UB 8245, Stuttgart 1984) Sigrid Ackermann Draußen im Feld gingen wir und am Waldrand, mein Verlobter und ich. Die Welt war schön. Wir hatten eben davon gesprochen, wie die Bauern in gewissen Gegenden die Statue eines Heiligen be- strafen, wenn er ihnen den erbetenen Regen oder Sonnenschein nicht schickt. Und wie die Holzfäller den Baum, den sie fällen mussten, vorher um sein Einverständnis baten. Sie müssen die Todesangst des Baumes gespürt haben, dieses Zittern im Stamm. Man hat es später wissenscha†lich festge- stellt, man hat es registriert und gemessen. Sie er- klärten dem Baum, wie wichtig sein Holz sei für den Fortgang der Welt. Mein Verlobter und ich un- terhielten uns darüber, wie einfach es gewesen sein muss, einen schönen Baum zu überreden, sein Le- ben und Holz für eine Wiege hinzugeben. Und wie schwer oder gar unmöglich, wenn er die Bretter zu einem Sarg liefern sollte. Wir kamen darauf, dass die Holzfäller die Bäume wahrscheinlich zwei Mal um Verzeihung und Verständnis baten. Erstens im Stillen wegen der Lüge, mit der sie ihnen kommen mussten. Zweitens mit lauter Stimme, nämlich die Geschichte von der Wiege erzählend, die fromme Lüge. Mein Verlobter und ich hatten, ohne es be- merkt zu haben, ohne Wissen und ohne Willen, keimende Saat zertreten. Da kam der Grundeigen- tümer, der Bauer. Ich weiß, dass er Joseph Stoß hieß. Es war der HügelhoŠauer Joseph Stoß. Er er- eiferte sich sehr. Wir zogen uns zurück in unseren Wagen und wollten wegfahren Es ging aber nicht sogleich, nicht schnell genug. Die Reifen fassten nicht im weichen Grund. Mein Verlobter war zu nervös. Da kam von vorn ein brauner Ackerstein geŒogen. Ich sah viele gebrochen-weißliche Glas- splitter. Es wurde mir schwarz. Schwarz rundum und ich sehe und höre nichts und spüre nichts mehr seither. Vierundzwanzig Jahre sind vergangen oder mehr. Wir hätten sicher Kinder, vielleicht schon Enkel. Angela Sutter Ich bin jetzt 17, bald 18. Ich habe keine Lust, mei- nen Senf plattzustreichen. Da heißt es höchstens, er sei noch grün. Ich stelle nur fest: Wir Jungen haben je länger je weniger eine wirkliche Chance. Die Chancen der Jungen waren noch nie so gering, ent- gegen allem Anschein. Es heißt: Die Welt steht euch o—en! Man bildet euch aus, man fördert euch, man hat tausenderlei Gesetze zu eurem Wohl erkämp†, noch nie hat es eine Jugend so leicht gehabt, noch nie ist eine Jugend so verwöhnt worden, noch nie war die Welt so jung! Was man nicht alles sagen kann! Ich sehe die Zukun† so zugemauert, wie die Land- scha† hier zugemauert worden ist. Es ist alles durchorganisiert. Die Wände sind zwar nicht mehr kerkerfeucht, sie sind augenfreundlich. Eingesperrt und isoliert bist du aber mehr denn je. Wie zum Hohn heißt es noch, man werde uns dereinst eine Welt übergeben, die besser sei als damals, als man sie seinerzeit von den Alten übernommen habe. Po- panz mit Windloch! Erstens übergibt man uns rein gar nichts, wir müssen kriechen, sonst sind wir out. Und zweitens ist das keine Welt mehr, sondern ein Berufssklavengewimmel. Und drittens wollen die uns einreden, diese von ihnen angerichtete Sauerei sei unsere Welt. Sorry, Sir! Ich brauche mir nur meine Schule in ih- rer verheerenden Leerlau—reudigkeit anzusehen. Die Reportagen über Jugendliche in New York oder über die Sauereien mit dem Wal, mit dem Erdöl, mit Südamerika und so weiter brauche ich gar nicht. Ich muss nur den Lehrern ins Gesicht sehen, wenn sie uns, weil sie dafür bezahlt werden, den UnŒat verkaufen, an dem sie selbst ersticken, diese gekau†en Feiglinge. Was ist „die Welt“? Diese kontinuierlich von Flach- kop†echnokraten und perversen Hochleistungsfeti- schisten im Kreis herumgejagte Irrwitzgesellscha†? Ich will Jugendanwältin werden, sofern ich es aus- halte. Falls ich nicht durchhalte, bin ich zur Aus- wanderung in ho—entlich lange noch nicht „ent- wickelte“ Gebiete entschlossen. Ich werde den Grad der mir angetanen persönlichen Vergewaltigung durch die herrschende Industriegesellscha† und ihre Zivilisation zurückdrehen. Ich bin mir trotz al- ler Zwänge und des idiotischen Drucks zu schade für den Schuss, für die totale Verweigerung, noch zu schade und ho—entlich lange noch. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 82 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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