Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 7  Schwerpunkt Lyrik – „Die große Vielfalt“ 98 Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Schritt 3: Die Sprache des Gedichts analysieren Überwiegen einfache Sätze, Satzreihen, Satzgefüge? Sind Sätze unvollständig, fehlen manchmal Satzglieder, sind Satzglieder umgestellt? Enthält das Gedicht Ausrufe, Fragen, Wünsche, Aufforderungen? Gibt es Auffälligkeiten im Satzzeichengebrauch? Fallen Satz- und Versgrenzen zusammen oder greifen Gedanken und Sätze auf die nächste Verszeile über (Enjambement)? Gibt es im Vergleich zur Alltagssprache (eine) dominierende Wortart(en), ein dominierendes Wortfeld? Finden sich Neubildungen, Wörter aus Fachsprachen, (Technik, Biologie, …) umgangssprachliche Wendungen, nur regional verständliche, auffällig „gehobene“ oder nicht mehr geläufige Ausdrücke? Gibt es zentrale, eventuell wiederkehrende Einzelwörter oder Wortgruppen? Schritt 4: Die Stilmittel und den „Klang“ des Gedichts erschließen Welche Stilmittel werden verwendet (Metaphern, Vergleiche, Metonymien, Personifikationen, Antithesen, Wiederholungen, Anaphern, Alliterationen …)? Dominiert der Klang bestimmter Vokale/Konsonanten? Schritt 5: Das Thema und das lyrische Ich untersuchen Was ist das Thema/Motiv des Textes (Sehnsucht, Untreue, Verlassenheit, frohe Kindheit …)? (Wie) entwickeln/verändern sich Thema, Situation, lyrisches Ich im Laufe des Gedichts? Gibt es Wendepunkte, Gegensätze? Von wem werden die Verse gesprochen, einem „Wir“, einer dritten Person, einem „Ich“? Wovon sprechen „Sprecher/Sprecherin“? In welcher Situation befindet sich das „lyrische“ Ich? Welche Position nimmt es gegenüber der geschilderten „Welt“, Situation, anderen Personen ein? Wie wird diese „Welt“ dargestellt: sachlich, begeistert, kritisch, wehmütig …? Schritt 6: Die Deutung formulieren Hat sich die erste Interpretationshypothese bestätigt? Was ist die Intention (Absicht) des Textes? Welche vom Text angeregten Ideen, Gefühle sind in mir entstanden? Könnte man am Text Kritik üben, ihn mit eigenen Erfahrungen verbinden? Ist er typisch für eine bestimmte Epoche, beschreibt er Fakten einer bestimmten Zeit/Situation, hat er für mich, für unsere Zeit Bedeutung? TIPPS FÜR EINLEITUNG UND SCHLUSS Natürlich können Sie die als Einleitung und Schluss für die Interpretation epischer Texte auf Seite 84 vorgeschlag- enen Möglichkeiten auch für Ihre Gedichtinterpretation anwenden. Hier finden Sie einige von Schülerinnen und Schülern formulierte „Einstiegshilfen“ und „Schlusssätze“ zu Interpretationen des Gedichts „Inventur“, Seite 92. „Einstiegshilfen“ ƒƒ „Inventur“, so lautet der Titel des Gedichts von Günter Eich; ein sehr „kaufmännischer“ Titel, der in seiner Sachlichkeit für einen lyrischen Text eher ungewöhnlich ist. ƒƒ Die Lyrik Günter Eichs wird zur „Trümmerliteratur“ gezählt, die zum Großteil von Autoren geschrieben wurde, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Gefangenenlagern interniert oder gerade aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt waren. Dieser Lage nach dem Krieg entsprechen auch das Thema und die karge Form des Gedichts „Inventur“. ƒƒ Das Gedicht „Inventur“ von Günter Eich ist von Spannung und Gegensätzen geprägt: Auf der einen Seite stehen die fast totale Besitzlosigkeit, der Mangel und das Misstrauen gegenüber anderen im Vordergrund, auf der anderen Seite ist die Freude des Ich an den einfachsten Dingen spürbar. „Schlusssätze“ ƒƒ Eich gibt eine nüchterne Bestandsaufnahme des materiell Überlebensnotwendigen nach dem Krieg. Aber „der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. So wichtig wie die Dinge ist für Eich auch das Schreiben, etwas scheinbar Überflüssiges, was aber das geistige und seelische Überleben sichert. Deshalb wird die Bleistiftmine so geliebt. ƒƒ Das Gedicht handelt also vom Kampf um die nackte Existenz. Er erfordert Anpassung, Improvisation, Selbstbehauptung. Am Tag muss man sich durchsetzen, nur in der Nacht kann man nachdenken. Vieles, was man vorher als notwendig betrachtet hat, erweist sich als überflüssig. Nur das Überleben ist wichtig. ƒƒ Schwer vorstellbar, mit wie wenig man in manchen Situationen auskommen muss. Aber sicher heilsam, diese Vorstellung, vor allem dann, wenn wir in unserem Überfluss noch immer nicht genug haben. Aber bitte nicht herauslesen, dass solche Zeiten des Mangels auch nur irgendwie wünschenswert wären. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=