Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

97 Sechs Schritte zur Interpretation lyrischer Texte Schritt 1: Genaues Lesen, erste Eindrücke, erste Deutungsmöglichkeiten Erste Deutungsmöglichkeiten („Interpretationshypothesen“) formulieren: Welche Information liefert der Titel? Stellt er eine bestimmte Person, einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit, eine Situation, ein Problem oder eine Frage in den Vordergrund? Welche Vorstellungen, Ideen löst er bei Ihnen aus? Was ist das Thema des Gedichts? Wird eine Begebenheit geschildert, oder werden Gefühle, Erinnerungen, Gedanken, Analysen ausgedrückt, Menschen, Dinge, Situationen beschrieben? Wird eine Analyse gegeben, wird Kritik geübt, ist Ironie zu spüren? Wie wirkt das Gedicht auf mich? Zusätzliche Informationen zu Autor/Autorin, zur Zeit oder zur literarischen Epoche, in der das Gedicht entstanden ist, können eine zusätzliche Interpretationshilfe bilden. Schritt 2: Die Form des Gedichts beschreiben Die Form: Ist das Gedicht in (gleichmäßige) Strophen gegliedert? Bilden die Strophen eine bestimmte Gedichtform, z. B. ein Sonett mit der Gliederung in 2 Strophen zu je 4 Verszeilen, gefolgt von 2 Strophen zu je 3 Versen in Jamben? Zeigt das Gedicht ein bestimmtes Versmaß und welches (Jambus „tam/TAM“ Trochäus „TAM/tam“, Anapäst „tam/ tam/TAM“, Daktylus „TAM/tam/tam“)? Haben die Verse einen freien, nicht geregelten Rhythmus? Sind sie alle gleich lang? Sind es kurze oder lange Verse? Gibt es innerhalb der Verse einen deutlichen Einschnitt (Zäsur), der eine Pause, Spannung oder einen Gegensatz erzeugt oder einleitet? Weist das Gedicht Reime auf (Endreim, Binnenreim)? Welches Reimschema (Paarreim „aabb …“, Haufenreim „aaabbb …“, umschlungener Reim „“abbacddc …“, Kreuzreim „ababcdcd …“), zeigt sich? Wie hängen die Reimformen bzw. fehlende Reime mit dem Inhalt zusammen? Textkompetenz Mündliche Kompetenz Schriftliche Kompetenz Text 6 Andrea Sailer: Mädchen von nebenan (2002) Ich bin nicht die Mit der du essen gehen kannst Wenn zuhause wieder keiner gekocht hat Ich bin nicht die Mit der man mal was unternimmt wenn alle anderen kurzfristig abgesagt haben Und ich bin auch nicht die Mit der du Pferde stehlen kannst Wenn keine andere mit dir die Sau rauslässt Ich bin nicht die Die dir noch einen Braten warm stellt Wenn überall sonst schon der Ofen aus ist Ich bin nicht die Die dir noch das Bier nachbringt Während du ihr reinen Wein einschenkst Nein, ich bin nicht das Mädchen von nebenan Auch wenn ich vielleicht danach aussehe Wenn du so was suchst Ganz einfach: Geh nach nebenan! 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Form und Inhalt von Texten aus verschiedenen Epochen im Gruppengespräch vergleichen; Texte gemäß vorgegebenen Kriterien selbst kreativ gestalten Beschreiben Sie in der Gruppe die formalen Parallelen und Unterschiede zwischen den Texten 1 bis 3: Strophen, Reimformen, Rhythmus/Versmaß, Stilmittel. Beschreiben Sie in Gruppenarbeit die inhaltlichen Parallelen und Unterschiede zwischen diesen Texten: Personen, Situation der Personen, insbesondere des lyrischen Ich, „Gesprächspartner“, Zeit, Geschehen/ Geschehenes, Stimmung. Auf welche Gedichte würde die folgende Aussage zutreffen: Diese Gedichte sind „von intellektueller Heiterkeit getragen“ und machen das „Vergnügen am Wort besonders deutlich erkennbar“? Erläutern Sie, wodurch sich die Gedichte Achleitners formal von allen anderen Gedichten unterscheiden. Schreiben Sie nach dem Muster von „bfiaddö fraonz“ Ihr Abschieds-, Kennenlern-, Liebeskrisen-, Freudenlied … in Ihrer Mundart oder in Ihrer nicht deutschen Muttersprache. Lassen Sie sich von Andrea Sailers Gedicht zu einer eigenen Kreation inspirieren. Variante 1: Sie schreiben ein Gedicht, in der das „Du“ auf die Vorwürfe reagiert: „Ich bin auch nicht der / Mit …“ oder „Du bist aber auch die / Mit …“. Variante 2: Schreiben Sie über sich: „Ich bin nicht die/der … / Sondern ich bin die/der …“. a b c d e 7.5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=