Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

91 Sie haben „Sonntag“ gelesen und möchten eine Beurteilung auf die Seite eines Online-Buchshops stellen. verfassen Sie dazu eine Empfehlung oder auch gegebenenfalls eine „nichtempfehlung“ von 405 bis 495 wörtern. Fassen Sie den Inhalt zusammen, erläutern Sie das Thema des Textes, begründen Sie Ihre Empfehlung/nichtempfehlung. KT 3 Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Literarische Bildung „Wird es fürs Gymnasium reichen?“ „Ja, ich hoffe es.“ Daniela wusste genau, dass ihre Noten weder in Mathematik noch in Französisch genügten. Dann eben eine kaufmännische Lehre ... oder Arztgehil- fin ... Sie wollte jetzt nicht daran denken. „Für mich waren Prüfungen nie ein Problem“, sagte der Vater. Daniela war froh, als der Kellner das Essen brachte. Der Reis mit Fleisch und Früchten schmeckte ihr. „Deine Mutter konnte nie richtig kochen“, sagte der Vater. Daniela gab darauf keine Antwort. „Ich brauche einen neuen Wintermantel“, sagte sie. „Schon wieder?“ „Ich bin seit dem letzten Jahr zehn Zentimeter ge- wachsen.“ „Wofür bezahl ich eigentlich Alimente?“ „Mutter sagt, das Geld reiche nur für das Nötigste.“ „Gut! Aber ich will die Rechnung sehen.“ […] Nach dem Essen fuhren sie am See entlang. […] Aus dem Radio erklang Volksmusik. Sie fiel Daniela auf die Nerven. Aber sie stellte sie trotzdem lauter. „Hast du viel Arbeit?“, fragte sie. „Wir bauen eine neue Fabrik.“ Der Vater war Ingenieur. Daniela betrachtete ihn von der Seite, neugierig, wie einen Gegenstand. Sein Gesicht war braun gebrannt, sportlich. Der Schnurrbart stand ihm gut. Hatte er ihre Gedanken erraten? „In zwei Wochen werde ich vierzig! Aber alle schät- zen mich jünger.“ Daniela lachte. Ihr schien er älter. „Wie alt bist du eigentlich?“ „Hundert!“, sagte Daniela. „Nein, ehrlich ...!“ „Das solltest du doch wissen. Du fragst mich jedes- mal ... Im Februar dreizehn.“ „Dreizehn! Hast du einen Freund?“ „Nein!“, sagte Daniela. „Das wundert mich. Du siehst hübsch aus!“ „Findest du?“ „So ... erwachsen!“ Auf einer Terrasse am See tranken sie Kaffee. Daniela beobachtete die Segelschiffe. […] Der Vater war verstummt und schaute alle fünf Mi- nuten auf seine Uhr. „Ich habe um vier Uhr eine Verabredung.“ „Also, gehen wir doch“, sagte Daniela und erhob sich. Der Vater schien erleichtert. „Ich bringe dich nach Hause“, sagte er. „Ach, du bist schon wieder da?“, sagte die Mutter. Sie war noch immer im Morgenrock. […] „Er hatte eine Verabredung“, erzählte Daniela. Die Mutter lachte. „Ich möchte wissen, warum er eigentlich darauf be- steht, dich zu sehen. Im Grunde liegt ihm doch nichts daran. Nur weil es das Gericht so entschie- den hat und um mich zu ärgern.“ Daniela wurde wütend. […] „Es geht ihm ausgezeichnet“, sagte sie. „Er hat sich ein neues Auto gekauft und sieht prima aus.“ Die Mutter zuckte bei ihren Worten zusammen. „Und den Wintermantel?“, fragte sie. „Bewilligt!“ „Ich gehe jetzt“, sagte sie nachher. „Hast du keine Aufgaben?“ „Nein!“ „Aber komm nicht zu spät zurück!“ „Ich esse bei Brigitte.“ […] Als Daniela die Tür des Lokals öffnete, schlug ihr eine Welle von Rauch- und Kaffeegeruch entgegen. […] Danielas Augen gewöhnten sich allmählich an das Halbdunkel. Suchend schaute sie sich um. Der Disc-Jockey nickte Daniela zu. „Well, I left my happy home to see what I could find out“, sang Cat Stevens. Ja, er hatte Recht. Um herauszufinden, wie die Welt wirklich war, musste man sein Zuhause verlassen. Heinz hatte Daniela den Text übersetzt. Heinz war schon sechzehn Jahre alt. Sie war stolz darauf. Er saß in einer Ecke und winkte. Aufatmend setzte sich Daniela neben ihn. Er legte einen Arm um ihre Schultern. „Hast du den Sonntag überstanden?“, fragte er. „Ja, Gott sei Dank!“ „War es schlimm?“ „Es geht ... wie immer.“ „Mach dir nichts draus.“ Daniela kuschelte sich an ihn. „Was meinst du, werden wir es besser machen?“, fragte sie. „Wenn wir einmal erwachsen sind?“ In ihrer Stimme klangen Zweifel. „Natürlich“, sagte Heinz, „natürlich werden wir es besser machen.“ 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 106 108 110 112 114 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 68 70 Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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