Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

83 Sechs Schritte zur Interpretation epischer Texte Die Ausführung folgender Schritte führt Sie zu einer gelungenen Interpretation und ergibt zugleich einen möglichen Aufbau ihrer Arbeit. Schritt 1: Erste Deutungsmöglichkeiten Genaues Lesen des Textes; erste Deutungsmöglichkeiten („Interpretationshypothesen“) formulieren: Was ist das Thema? Welche Information liefert der Titel? Stellt er eine bestimmte Person, einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit oder eine Situation, ein Problem oder eine Frage in den Vordergrund? Löst er in ihnen bestimmte Vorstellungen, Ideen aus? Zusätzliche Informationen zu Autor/Autorin, zur Entstehungszeit und zu den Grundzügen der Epoche, in welcher der Text entstanden ist, können Deutungshilfen sein. Schritt 2: Die Textsorte Welcher epischen Textsorte ist der Text zuzuordnen? Was ist für diese Textsorte charakteristisch? Zeigt der Text diese Charakteristika? Schritt 3: Die Struktur des Textes Lassen sich bestimmte Aufbauelemente erkennen: Absätze, Einleitung, Spannungsaufbau, Verzögerungen der Handlung, Schluss? Schritt 4: Die Erzählperspektive, die Erzählzeit, die dargestellte zeit, der Ort, die Person, die Handlung Aus welcher Perspektive wird erzählt (allwissender auktorialer Erzähler, Ich-Erzählung …)? Wie verhalten sich Erzählzeit und erzählte Zeit? Wird linear (in „einem Zug“) erzählt oder gibt es Vorschau und Rückblenden? Wer sind die dargestellten Figuren, wie sind ihre Beziehungen? Agieren sie an einem konkreten Ort, einer bestimmten Zeit? Wie sind sie charakterisiert: durch ihre Sprache, ihr Denken, ihre Handlungen? Welche Gedanken, Gefühle und Absichten haben sie? Wie handeln sie, und warum handeln sie so? In welcher Situation befinden sie sich? Verändern/entfalten sich die Hauptfiguren, ist die Situation am Ende des Textes anders als zu Beginn? Schritt 5: Sprache und Stil Ist die Sprache besonders kreativ, originell oder Alltagssprache? Ist der Satzbau eher einfach (kurze Sätze …) oder kompliziert (umfangreichere Satzgefüge). Dominieren Hauptsatzreihen oder Satzgefüge? Gibt es Auffälligkeiten in der Wortwahl (Jugend-, Fachsprache, Mundart)? Gibt es auffallende Schlüsselwörter und/oder besonders (häufig) verwendete Stilmittel? Welche Redeformen dominieren (direkte, indirekte Rede, innerer Monolog …)? Schritt 6: Meine Deutung Welche mögliche Deutung ergibt sich aus diesen Teilaspekten? Stimmt die zu Beginn geäußerte Interpretations- hypothese mit den in Schritt 1 bis 5 analysierten Teilaspekten überein? Welche Absicht hat der Text? Welche Ideen, Gefühle löst er in mir aus? Wie verhält sich seine Aussage zu meinen Erfahrungen? Möchte ich Kritik an ihm formulieren? Welche mögliche Wirkung hat er auf mich und eventuell auf andere? Hinweis: Belegen Sie Ihre Erkenntnisse mit Zitaten aus dem Text. Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Literarische Bildung mand, die anderen werden sich nicht kümmern. So können der Satz und die Metapher gedeutet wer- den: „Sie kauerte sich in ihren Sessel, und sie hätte unartikuliert schreien mögen, in die Nacht mit ih- rer entsetzlichen Gelassenheit.“ Dass der Text keine Lösung anbietet, ist typisch für eine Kurzgeschichte. Der Autor verzichtet auf „gute Ratschläge“. Genauso wie der Schluss ist auch der Anfang typisch. Personen und Situation werden di- rekt, ohne Einleitung oder Erklärung vorgestellt. Typisch ist auch, dass die Personen Menschen aus dem Alltag sind, keine Helden, und dass die eigent- liche Handlung und die Anzahl der Personen sehr gering sind. Auch die Umgangssprache, der Ver- zicht auf eine bewusst poetische Sprache sind für Kurzgeschichten charakteristisch. (665 Wörter) 86 88 90 92 94 96 98 100 102 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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