Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 5  Dichten von der Klassik bis zum Vormärz 70 Textkompetenz Literarische Bildung „Bunte Steine“ und „Bergkristall“ Doch im Gegensatz zu Stifters Vorrede dringt in die Erzählungen aus den „Bunten Steinen“ häufig Gewaltsames und Katastrophenhaftes ein. „Katzensilber“ berichtet von der Unmöglichkeit, ein Kind in die Gesellschaft zu integrieren und sein Leben zu sichern. „Turmalin“ erzählt von Ehebruch und dem Versagen der Erwachsenen, die ihre Kinder aus Egoismus ins Unglück treiben. Auch die Themen der anderen Erzählungen sind keineswegs idyllisch: Es geht um Pest („Granit“), Überschwemmungen („Kalkstein“), Feuergefahr („Katzensilber“) und Krieg („Bergmilch“). „Bergkristall“, die bekannteste Erzählung aus den „Bunten Steinen“, vermeidet nur knapp eine Katastrophe. Die Handlung ist einfach: Zwei Kinder, Konrad und Sanna, begeben sich am Weihnachtstag auf den Heimweg vom Besuch der Großmutter im Nachbardorf. Sie geraten in einen starken Schneefall, der ihnen jede Orientierung nimmt. Lautlos und fast unmerklich sinkt die Katastrophe über die beiden. Sie haben sich ausweglos verirrt. Das Zeichen dieser Katastrophe ist das vollkommene Schweigen der Natur, nichts Lebendiges oder gar Menschliches ist spürbar. Eine „einzige weiße Finsternis“ herrscht, „rings um sie nichts als das blendende Weiß, überall das Weiß, das aber selber nur einen immer kleineren Kreis um sie zog, und dann in einen lichten, streifenweise niederfallenden Nebel überging, der jedes Weitere verzehrte und verhüllte, und zuletzt nichts anderes war als der unersättlich niederfallende Schnee“ . In ihrer Orientierungslosigkeit kommen die Kinder bis an das Eis des Gletschers, verloren in einer fremden Natur: „Sie waren winzig kleine wandelnde Punkte in diesen ungeheuern Stücken.“ Doch trotz ihrer Unwirtlichkeit bietet die Natur auch Schutz: In einer Gletscherhöhle verbringen die Kinder die Nacht, sehen fasziniert das Schauspiel des Nordlichts und das Drehen des Sternenhimmels. Dank der Suche der Bewohner beider Dörfer werden sie am nächsten Vormittag gerettet. Die Struktur von Texten erfassen Lesen Sie „Bergkristall“ als Klassenlektüre. Achten Sie dabei besonders auf folgende Aspekte: Beschreibung von Landschaft, Gesellschaft, Jahreszeit, Bewohnern (5−7); die Konkurrenz der beiden Dörfer Millsdorf und Gschaid, ihre unterschiedliche soziale Struktur (16−20); das Einsetzen des Schneefalls (29 ff.); die Symbolik der Farben (37 ff.); die Strukturierung des Geschehens und die Rettung der Kinder durch Essen und Trinken (4, 25, 28f., 44, 48, 52, 58, 62); das Verhältnis von Konrad zu Sanna anhand der Gespräche der beiden (31−48); die Rettung (56 ff.). (Die Seitenzahlen in Klammer beziehen sie auf die Reclam-Ausgabe der Erzählung.) 5.12 HEINRICH HEINE: „EIN NEUES LIED, EIN BESSERES LIED, O FREUNDE, WILL ICH EUCH DICHTEN!“ Rückzug ins persönliche Glück, stilles Gehorchen den Autoritäten gegenüber, romantisches Einfühlen in die Natur, das war nicht die Sache der Dichter des „Vormärz“, wie zum Beispiel Heinrich Heine. Romantische Lieder geben für ihn kein wahres Bild der Welt der beginnenden Industrialisierung mehr, es ist vorbei mit der „idyllische[n] Ruhe“, denn der „Kohlendampf verscheucht die Sangesvögel und der Gasbeleuchtungsgestank verdirbt die duftige Mondnacht“ . Heines Gedichte führen oft zunächst in eine Idylle hinein und zerstören sie jedoch: Doch Heines Dichtung ist auch von harter Kritik an den ungerechten gesellschaftlichen Zuständen geprägt, besonders nach seiner Übersiedlung nach Paris im Zuge der dortigen erfolgreichen Julirevolution von 1830. In der Satire „Deutschland. Ein Wintermärchen“ schildert er die Überquerung der französisch-deutschen Grenze, an der ein Mädchen mit einer Harfe sitzt und singt: Heinrich Heine Das Fräulein stand am Meere Und seufzte lang und bang, Es rührte sie so sehre Der Sonnenuntergang. „Mein Fräulein! sein Sie munter, Das ist ein altes Stück; Hier vorne geht sie unter Und kehrt von hinten zurück.“ 2 4 6 8 Den Aufbau eines Textes erkennen Welche Erwartungen erweckt Heine zunächst bei den Leserinnen/ Lesern? Welche romantischen Bilder/Szenen werden vorgeführt? Heine hätte ohne Zweifel in Vers 2 und 4 auch „Meer“ und „sehr“ als Reim verwenden können. Welchen Eindruck verstärken jedoch „Meere“ und „sehre“? Wo zerstört der Autor ironisch die Idylle? a b 5.13 Sie sang vom irdischen Jammertal, Von Freuden, die bald zerronnen, Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt Verklärt in ew‘gen Wonnen. Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel. […] 2 4 6 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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