Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 3  Rhetorik 40 Rhetorik in Politik und Alltag Rhetorik ist – gemäß einer Definition der Universität Tübingen – „ein zusammenfassender Begriff für die Theorie und Praxis der menschlichen Beredsamkeit in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten, ob sie in mündlicher, schriftlicher oder durch die technischen Medien (Film, Fernsehen, Internet) vermittelter Form auftritt“. Rhetorik In diesem Sprachraum erfahren Sie einiges über die positiven, bedenklichen und für Sie persönlich praktisch brauchbaren Aspekte der Rhetorik. ti4zu8 Sprachraum 3 Roman Herzog: Der Wert der Rhetorik (Auszug 1) Rede des früheren Bundespräsidenten Deutschlands an- lässlich des 30-jährigen Bestehens des Instituts für „All- gemeine Rhetorik“ an der Universität in Tübingen. Auf das Instrument der Rede sind aber, wie gesagt, in einer Demokratie alle angewiesen, und damit sind wir beim Wert der Rhetorik als solcher. Wir sind von Rhetorik umgeben, im politischen Le- ben, in der Werbung, aber auch im privatesten Bereich, und sei es nur, dass es darum geht, wohin man mit sei- nem Partner in Urlaub fahren soll. Obwohl Beredsam- keit also allgegenwärtig und überall notwendig ist, wo es um offene Fragen geht, misstrauen wir ihr. Ich ver- schiebe jetzt erst einmal die Frage nach dem spezifisch deutschen Misstrauen gegen Rhetorik, das sich unter anderem aus der Erfahrung der maßlosen Propaganda des Dritten Reiches bis heute erhalten hat. Die Rheto- rik sah sich von allem Anfang an Misstrauen und Feindschaft ausgesetzt. Schon in ihrer ersten Blütezeit, in Athen, formulierte Sokrates, der Gegner der So- phisten, also der Profi-Redenkünstler, den bis heute konstant wiederholten Verdacht, dass die Redekünst- ler im Tiefsten unmoralisch handelten, weil sie durch angelernte Techniken „die schwächere Sache zur stär- keren“ machten und somit der Lüge und Täuschung schuldig seien. Schon ganz zu Beginn wird also der schwerwiegendste Verdacht gegen rhetorische Tech- nik überhaupt ausgesprochen: Wer sich in öffentlichen oder auch privaten Äußerungen rhetorischer Künste bedient, steht bald im Ruf, unwahrhaftig zu sein, das heißt nicht der schlichten Wahrheit die Ehre zu geben. […] Der Mensch lernt schnell. Er lernt zum Beispiel das, was man „forensische Rhetorik“ nennt. Ich brauche hier nicht weiter zu begründen, warum das Gericht ei- 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Lesen Sie den ersten Auszug aus der Rede „Der Wert der Rhetorik“ und bearbeiten Sie die folgenden Aufgaben. Fassen Sie zusammen, was Sie im Text über die Geschichte der Rhetorik (und das historisch gewachsene Misstrauen gegen die Rhetorik) erfahren. Diskutieren Sie, ob Sie die Vorbehalte gegen die Rhetorik teilen. Stellen Sie mithilfe der Beispiele im Text dar, wie Herzog die Rhetorik im (öffentlichen) Alltag verankert sieht. Herzog verwendet den Begriff „Beredsamkeit“ gleichsam erklärend als Synonym zu dem Begriff „Rhetorik“. Erläutern Sie, was aus Ihrer Sicht „Beredsamkeit“ ausmacht und von der einfachen Redefähigkeit unterscheidet. Sie können dabei auf die von Herzog angesprochenen Beispiele (z. B. das Sprechen vor Gericht oder die „Rhetorik“ der Werbung) zurückgreifen. a b c 3.2 Textkompetenz Besprechen Sie mit Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, wo Rhetorik in Ihrem Alltag eine Rolle spielt. Sammeln Sie Beispiele in einer Mind-Map. 3.1 Maturatextsorten: Leserbrief, Meinungsrede Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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