Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

 186 Semestercheck (8. Semester) THEMA: EInSICHT In DIE FunKTIOn unD DEn BAu DEr SPrACHE Hauptkompetenz und Teilkompetenz Sprachreflexion: Den Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft analysieren; die Eigenart der sprachlichen Zeichen erläutern Weitere geforderte Kompetenzen Textkompetenz, Schriftliche Kompetenz Methodisch-didaktische Hinweise Eine der schriftlichen Zusammenfassung vorangehende mündliche Textbesprechung ist empfehlenswert Zeitbedarf Teil a: 40 Minuten; Teil b: 10 Minuten Fassen Sie den folgenden Text zusammen und erläutern Sie die Rolle der Sprache für die Gesellschaft. Schreiben Sie 270 bis 330 Wörter. Die Situation: Das Thema „Nachdenken über die Sprache“ hat Sie interessiert, Sie haben sich selbstständig damit weiter beschäftigt und sind dabei auf das Buch „Sprachwandel“ des deutschen Linguisten Rudi Keller gestoßen. Sie möchten Ihre Deutschprofessorin/Ihren Deutschprofessor, die für Schüler-/Schülerinnen-Ideen offen sind, anregen, die Funktion der Sprache für die menschliche Gesellschaft noch weiter zu behandeln und schicken ihr/ihm als „Anstoß“ dazu per Mail eine Zusammenfassung eines Ausschnitts aus diesem Buch. a Rudi Keller: Sprache und Gesellschaft In der Entwicklung der Menschheit haben Großge- sellschaften imVergleich zu kleinenHorden denVor- teil, dass sie über eine Fülle von Kenntnissen und Fähigkeiten verfügen können, die die Kapazität eines jeden Einzelnen bei weitemübersteigt. InVerbindung mit dem Prinzip der Arbeitsteilung können somit die einzelnen Mitglieder einer Großgesellschaft in den Genuss von Gütern, Leistungen und Fähigkeiten ge- langen, die sie als Einzelne oder kleine Gruppen her- vorzubringen nie imstande wären. Allerdings bedarf das Leben in einer Großgesellschaft völlig anderer Formen des sozialen Verhaltens. Das Leben in einer Horde war geprägt durch eine eng definierte Koope- ration einander kennender Individuen inHinblick auf ein allen erkennbares Ziel wie Nahrung oder Vermei- dung vonGefahr. […] DasMachtgefüge in der Horde dürfte die Struktur einer Hackordnung gehabt haben, ausgefochten jeweils nach demPrinzip der Macht des Stärkeren. Um in der Lage zu sein, größere Gesell- schaften zu bilden, müssen das Prinzip des gemeinsa- men Zusammenwirkens auf ein allen vor Augen be- findliches konkretes Ziel und das Prinzip der Macht des Stärkeren ersetzt werden durch abstraktere Prin- zipien und Verhaltensregeln. […] Damit eine größere Gemeinschaft entstehen kann, ist es vor allenDingen erforderlich, Gewalt zu reglemen- tieren, beziehungsweise Gewalt durch gewaltfreie Verhaltensalternativen zu ersetzen. Die fundamentalen Institutionen der Ersetzung von Gewalt sind Recht, Markt und Sprache. Diese Zusam- menstellung mag auf den ersten Blick abenteuerlich erscheinen. […] Ich will erläutern, was diese drei „Bräuche“ verbindet. Der Brauch des Rechts dient dazu, Regelungen von Konflikten einem (neutralen) Dritten zu übertragen. Der Einzelne tritt seinen Anspruch auf Selbsthilfe oder Vergeltung ab an eine Instanz, die ihm im Ge- genzug Schutz vor unangemessenen bzw. unverdien- ten Selbsthilfe- oder Vergeltungsmaßnahmen ge- währt. Recht ist somit ein Tauschgeschäft: Ich gebe meinen Anspruch auf Vergeltung einem Dritten (ei- nem Staat, einem Häuptling o. ä.) und bekomme da- für Schutz vor Willkürhandlungen der anderen. Markt und Sprache dienen verwandtenZwecken. Bei- de sind Institutionen, die dazu dienen, den anderen zu etwas Bestimmtem zu bringen. Der Markt ist die Institution, die ich bemühe, wenn ich einen dazu bringen will, mir etwas Bestimmtes zu geben. Die Sprache ist die Institution, derer ich mich bediene, wenn ich einen dazu bringen will, etwas Bestimmtes zu tun bzw. zu glauben. Die archaische Alternative zu Markt und Sprache ist die Gewalt: zumHandel der Raub oder der Diebstahl, zur Kommunikation der Zwang. Handel treiben heißt, vereinfacht gesagt, einem, der hat, was man braucht, und braucht, was man hat, zu geben, was man hat, um von ihm zu bekommen, was man braucht. Kommunikation heißt, vereinfacht gesagt, demande- ren Wünsche bzw. Überzeugungen zu erkennen zu geben, in der Hoffnung und der Absicht, dass dies für den anderen ein Grund sein möge, den Wunsch zu erfüllen bzw. diese Überzeugung zu übernehmen. Kommunikation und Handel liegt dasselbe Prinzip zugrunde. Wenn du den anderen dazu bringen willst, etwas Bestimmtes zu tun, so gib ihm einen Grund, es von sich aus zu tun. Zu bekommen, was ich brauche ist unter Umständen ein guter Grund für mich, dir von dem, was ich habe, zu geben, was du möchtest. Zu erfahren, dass du etwas für wahr hältst, ist unter Umständen ein guter Grund für mich, dies ebenfalls für wahr zu halten. Zu wissen, dass du möchtest, dass ich etwas Bestimmtes tue, kann unter Umständen ein guter Grund für mich sein, es zu tun. Der Kauf unter Verwendung von Geld ist ein Spezial- fall des Handels imAllgemeinen. Geld ist ein konven- tionelles Mittel, das Verfahren zu beschleunigen. Es 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 S 1 Sprachreflexion Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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