Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

169 Sprachreflexion Textkompetenz im Französischen „Eimer“ – le sceau –, im Ungarischen „Wort“ – szó –, im Italienischen „ich weiß“ – so –, im Portugiesischen „ich bin“ – sou – oder „allein“ – so –, im Chinesischen je nach Tonfall „Platz, Schloss, Seil“, im Fidschi „jemandem helfen“ oder „Yamswurzeln schälen“. Was unterscheidet also die Rose von der Hose? Das System der Sprache ermöglicht uns die Kommunikation auf einer sehr ökonomischen Basis: eine beschränkte Anzahl von Lauten – laut Sprachwissenschaft sind es im Deutschen 43 – stehen zueinander in Opposition . Sie haben auf diese Weise bedeutungsunterscheidenden Charakter: Der Laut /r/ steht in Opposition zum Laut /h/; so wird die Rose zur Hose. Leicht verwandelt sich die Rose auch in eine Chose, Dose oder in ein paar Lose. Da auch das /o/ in Opposition zu anderen Lauten (= Phonemen) steht, kann Rose zu Riese werden, durch die Opposition des /e/ zu anderen Lauten entstehen aus der Rose die Rosa oder der Rost, infolge der Opposition des /s/ zu anderen Phonemen des Deutschen wird die Rose zur Robe. Der Sand wird zum Band, Land oder, da Phoneme kombiniert werden können, zum Brand. Das Herz ist rein, klein, fein oder aus Stein. Die Bühne wird zur Sühne, Mähne, Bohne. Phoneme stehen auch in möglicher Opposition zu ihrer Nullstelle: Pflanze wird zu Lanze, warm zu arm. Länge und Kürze – lahm und Lamm, Hüte und Hütte – stehen im Deutschen ebenso in Opposition wie stimmhaft und stimmlos: reisen kontra reißen, backen kontra packen. Die Art und Bedeutung der sprachlichen Zeichen erfassen Fassen Sie in der Gruppe die Informationen zu den Begriffen „sprachliche Zeichen“, „Beliebigkeit“, „Bezeichnetes“ und „Bezeichnendes“ mündlich zusammen. 13.7 Die Bedeutung der Phoneme erkennen Verändern Sie die Bedeutung der folgenden Wörter durch Phonemveränderung; setzen Sie die Kette auch auf Basis der neu gewonnenen Moneme fort: Haus, Tube, Baum, Laub, Bild. Erklären Sie das folgende sprachliche Phänomen: In fast allen Sprachen der Welt zeigt die Lautfolge für „Mutter“ die Dominanz des Lautes /m/: mère (franz.), madre (span., ital.), Mutter (deutsch), mother (engl.), mai (port.), mama (Kisuaheli) umame (Zulu), umm (arab.), meh (hebr.), moeder (holl.), moder (schwed., dän.), man (Hindu und Urdu), mam (wallis.), mor (norweg.), mat’ (russ.), me (vietnam.) a b 13.8 IST EIN ZEBRA EIN SCHWARZES „PFERD“ MIT WEISSEN STREIFEN ODER EIN WEISSES „PFERD“ MIT SCHWARZEN STREIFEN? – DIE SEMANTIK Was wir überhaupt sprachlich benennen, wie wir etwas benennen, welche Merkmale uns bei der Benennung wichtig sind, das ist von unseren Interessen bestimmt und der Notwendigkeit, dass wir mit der Sprache unser (tägliches) Leben meistern müssen. Der folgende Text informiert darüber: S. I. Hayakawa: Den Dingen Namen geben Die nachstehenden Figuren zeigen acht Objekte, sagen wir Tiere, vier große und vier kleine, andere vier mit runden Köpfen und andere vier mit eckigen Köpfen und wieder andere vier mit Ringelschwänzen und an- dere vier mit geraden Schwänzen. Nehmen wir an, die- se Tiere laufen in unserem Dorf herum. Da sie aber für uns zunächst ohne Belang sind, ignorieren wir sie. Wir geben ihnen sogar keinen Namen. Eines Tages entdecken wir jedoch, dass die Kleinen unser Korn auffressen, während es die Großen nicht tun. Es ergibt sich eine Art von Differenzierung, und indem wir die gemeinsamen Charakteristiken von A, B, C und D bestimmen, entscheiden wir uns, diese „Gogo“ zu nennen; E, F, G und H nennen wir „Gigi“. Wir vertreiben alle Gogo, überlassen aber die Gigi sich selbst. Unser Nachbar hat indessen eine andere Erfahrung gemacht; er findet, dass jene mit eckigen Köpfen bei- ßen, während jene mit runden Köpfen dies nicht tun. Indem er die gemeinsamen Charakteristiken von B, D, F und H bestimmt, nennt er diese „Doba“ und A, C, E und G nennt er „Dobo“. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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