Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 12  Literatur von Franz Kafka bis zur Gegenwart 154 Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Literarische Bildung Gedichte ihrem Thema, ihrer Intention und ihrer Sprache nach analysieren und intertextuelle Bezüge erkennen Analysieren Sie das Gedicht unter folgenden Aspekten: Geben Sie in eigenen Worten wieder, was die Erde „will“ und was sie „nicht will“! Welche Verse widmen sich dem Element Wasser“, welche dem Element „Luft“, wo wird das Element „Feuer“ angesprochen? Welche Beziehung lässt das lyrische Ich zu den Tieren erkennen? Definieren Sie den Begriff „freies Geleit“! Wenn Sie das Gedicht laut lesen, merken Sie seinen Klangreichtum. Besonders ‚klangreich’ ist die zweite Strophe! Welches Stilmittel dominiert in dieser Strophe? Auf welches Werk der Weltliteratur spielt der vorletzte Vers an, ein Werk, in dem die Erzählerin in tausend Nächten Todesängste ausstehen und darauf hoffen muss, „dass noch tausend und ein Morgen wird”. 12.7 Texte vergleichen und interpretieren Beschreiben Sie auf Basis Ihrer Erkenntnisse zu den Arbeits- aufgaben ad „Hiroshima“ und „Freies Geleit“ Inhalt und Form beider Gedichte, vergleichen Sie die Texte und nehmen Sie zu deren Anliegen Stellung. Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. 12.8 Die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, die Ermordung von Millionen in den Konzentrationslagern, die neue atomare Bedrohung bestimmen die Literatur der 50er-Jahre . Ein wesentliches Problem für die Literatur besteht darin, wie und ob man die geschehenen Gräuel überhaupt sprachlich darstellen darf, ohne Gefahr zu laufen, dass die Gräuel literarisch konsumierbar und verharmlost werden. Nelly Sachs und Paul Celan (1920−70) stehen beispielhaft für den Versuch, das ‚Unsagbare’ in der Lyrik dennoch zur Sprache zu bringen. Die 60er-Jahre sind charakterisiert durch Kritik an der Nachkriegsgesellschaft, ihrem oft schnellen Vergessen und einer auf einseitiges Wirtschaftsdenken zielenden Lebensweise. Beispiele dafür sind die Romane von Heinrich Böll (1917−85), Günter Grass (1927−2015; „Die Blechtrommel“) und die Lyrik Ingeborg Bachmanns. Die Atomgefahr wird exemplarisch im Gedicht „Hiroshima“ von Marie Luise Kaschnitz thematisiert. Max Frisch (1911−91) stellt die Frage nach der Möglichkeit der Individualität in der Gesellschaft; für Friedrich Dürrenmatt (1921−90) ist angesichts einer absurden Welt nicht mehr das Tragische, sondern höchstens das Tragikomische Thema der Literatur. Mit beiden Autoren erreicht die Schweizer Literatur weltliterarischen Rang. SPRACHSKEPSIS UND SPRACHSPIEL Unsere Sprache hat viele Funktionen: Sie informiert, drückt Emotionen aus, stellt soziale Kontakte her … Aber sie kann auch manipulieren. „Die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache“ nennt der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889−1951) in seinen „Philosophischen Untersuchungen“ die Beeinflussung durch die Sprache. Autorinnen und Autoren wie Ingeborg Bachmann, die fordert, „Literatur müsse ein tausendfacher Verstoß gegen die schlechte Sprache sein“, und Peter Handke (*1942) sehen in der Kritik an manipulativer Sprache eines ihrer wichtigen Anliegen. Einen weiteren Weg, „schlechte Sprache“ zu vermeiden, zeigen die „totalen“ und „freien“ Texte von Friederike Mayröcker (*1924). Peter Handke: „Wunschloses Unglück“ (1972) Handkes Erzählung „Wunschloses Unglück“ beginnt lapidar: „Unter der Rubrik VERMISCHTES stand in der Sonntags- ausgabe der Kärntner Volkszeitung Folgendes: ‚In der Nacht zum Samstag verübte eine 51-jährige Hausfrau aus A. (Gemeinde G.) Selbstmord durch Einnehmen einer Überdosis von Schlaftabletten.“ Die Frau ist Handkes Mutter, eine Kärntner Slowenin. Der Autor will zu dieser Zeitungsmeldung in einzelnen Beobachtungen die wirkliche, „einfache und klare“ Geschichte seiner Mutter schreiben. Aufgewachsen in bäuerlich-katholischer Umgebung, erzogen zu Anspruchslosigkeit und Dienen, hatte sie nie die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen: „‚Individuum’ war […] nur bekannt als ein Schimpfwort.“ Zum allgemeinen Verhaltensdruck auf die Menschen im Dorf kommen der Druck der Armut und des Frauseins und vor allem der Sprache. Keine Maschinen im Haus; alles wurde noch mit der Hand gemacht. Gegenstände aus einem vergangenen Jahrhundert, im allgemeinen Bewusstsein verklärt zu Erinnerungsstücken: nicht nur die Kaffeemühle, die ja ohnedies ein liebgewordenes Spielzeug war – auch die BEHÄBIGE Waschrumpel, der GEMÜTLICHE Feuer- herd, die an allen Ecken geflickten LUSTIGEN Koch- töpfe, der GEFÄHRLICHE Schürhaken, der KECKE Leiterwagen, die TATENDURSTIGE Unkrautsichel, die […] zerschliffenen BLITZBLANKEN Messer, der NECKISCHE Fingerhut, der TOLLPATSCHIGE Stopfpilz, das BULLIGE Bügeleisen, das für Abwechs- 2 4 6 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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