Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 10  Kommunikation 134 Gelingende Kommunikation: der Rat des Experten Das „Kommunikationsquadrat“ des Psychologen Friedemann Schulz von Thun ist eines der wichtigsten Kommunikations- modelle: Jede Äußerung kann vom Sender und vom Empfänger unter vier Blickwinkeln gesehen werden: dem Sach- oder Inhaltsaspekt , dem Aspekt der Selbstoffenbarung , dem Beziehungsaspekt zwischen Sender und Empfänger und dem appellativen Aspekt , der in der Kommunikation steckenden Absicht und Aufforderung. Das folgende Interview mit Schulz von Thun im „Standard“ liefert Ihnen detaillierte Informationen, wie man auch schwierige Gespräche positiv gestaltet und wie das berüchtigte „falsche Wort“, das Gespräche scheitern lässt, vermieden werden kann. Kommunikation Lateinisch „communio“ bedeutet Gemeinschaft. Ratschläge für gelingende Kommunikation, Unterschiede zwischen „männlicher“ und „weiblicher“ Kommunikation, aber auch Beispiele für scheiterndes Kommunizieren bringt dieser Sprachraum. 87ax9f Sprachraum 10 Mündliche Kompetenz STANDARD: Herr Professor Schulz vonThun, bis in die feinsten Verästelungen haben Sie den Feinheiten menschlicher Kommunikation nachgespürt. Warum kann das berühmte „falsche Wort“ so viel Unheil an- richten? Schulz vonThun: Nun, wir sindGemeinschaftswesen, mit der Qualität unserer Beziehungen steht und fällt unser Seelenleben. Gute Gesprächskontakte können uns aufbauen, sie können aber auch das Gegenteil auslösen. ImHandumdrehen können sie uns in tiefste Betroffenheit stürzen, massiven Ärger auslösen. […] STANDARD: Die wesentlichen Weichensteller eines guten, eines gelingenden Gesprächs sind? Schulz vonThun: Ausschlaggebend ist die Grundhal- tung, ist, wie ich in ein Gespräch hineingehe. Lasse ich den anderen auch gelten oder nur mich? Sodann die Bereitschaft und auch die Fähigkeit, genau hinzu- hören – auch und gerade auf das, was ich nicht hören will. Dann der Mut, Farbe zu bekennen auf allen vier Seiten des Kommunikationsquadrates: sachlich, selbstkundgebend, beziehungsmäßig und appellativ. Nicht zuletzt ein Gefühl für die Wahrheit der Situa- tion: Welche Kommunikationsform ist hier und jetzt stimmig – und welche wäre „daneben“? Beispielswei- se: Kommuniziere ich eher fragend oder eher aussa- gend oder gar provozierend? STANDARD: Und die Kehrseite der Medaille? Was lässt ein Gespräch zuverlässig abstürzen? Schulz vonThun: Eigentore auf den vier eben genann- ten simultanen Spielfeldern des Kommunikations- quadrates zu schießen. Auf dem Spielfeld der Sach- lichkeit, indem ich die Aufnahmekapazität des Emp- fängers kontaktlos außer Acht lasse und über seinen Kopf hinwegrede. Auf dem Spielfeld der Selbstkund- gabe, indem ich mich nicht zeige in dem, was mich ausmacht, mich stattdessen hinter den Worten ver- stecke oder mit den Worten eine Imponierfassade aufbaue. Auf dem Spielfeld der Beziehungsverhand- lung, indem ich (als Sender) den anderen herabsetze, ihn offen oder subtil unter „dbk-Verdacht“ stelle (dumm, bösartig, krankhaft); oder als Empfänger, indem ichmein „Beziehungsohr“ (was hält der ande- re von mir, und wie fühle ich mich behandelt durch dieArt, wie ermitmir spricht?) derart auf Alarmemp- fang stelle, dass mir die Fähigkeit zur sachlichen Würdigung ebenso abhanden kommt wie die Empa- thie. Schließlich auf dem Spielfeld des Appells, dass zum Beispiel unter dem Berg von Vorwürfen und Klagen eine konkrete Bitte verschüttet bleibt. […] STANDARD: Wie lässt sich ein auf der Kippe ste- hendes Gespräch retten? Schulz vonThun: Aus meiner Sicht gibt es zwei Mög- lichkeiten: einfühlsame Metakommunikation und/ oder heilsames Umschalten auf ein neues Begeg- nungsfeld. Metakommunikation zum Beispiel: „Ich habe das Gefühl, ich habe Sie verstimmt, als ich sagte … – stimmt das?“, „Was ich damit nicht habe sagen wollen, ist … – stattdessen meinte ich das so …“. Heilsames Umschalten (Ich spüre etwa, wir sind hier empfindlich verstrickt. Statt dies anzusprechen und den Knoten hier und jetzt aufzulösen, schalte ich um): „Darf ich einen Vorschlag machen? Wir lassen mal die Geschichte beiseite und sammeln mal alle möglichen Lösungen, die uns einfallen: Wenn alles nach Ihnen ginge, welche Lösung wäre Ihnen am al- lerliebsten?“ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 Maturatextsorten: Zusammenfassung, Leserbrief Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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