Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

zwISCHEnrAuM 3  Verantwortung für die Sprache 132 Wir haben viele Wörter aufgegeben, infolge ideologi- scher Nackenschläge, aber auch aus Scham, weil wir Sprache und Sprecher, Wort und Tat miteinander ver- wechselt haben. Oder weil wir glauben, ein Missstand verschwindet dank einer Sprachreform. Neger zum Bei- spiel kommen nur noch bei Rassisten vor. Das Wort je- doch ist unschuldig, es heißt Schwarze. Von Schwarzen dürfen wir gerade noch reden. Von Zigeunern nicht mehr. Aber es ist kein böses Wort, leitet sich vermutlich aus dem Griechischen her, Gype, oder gründet auf dem alten Glauben, Zigeuner seien Pilger aus Ägypten, und existiert auch in anderen Sprachen: gitanes, gypsies, gi- tanos. Es ist also beileibe keine Verballhornung von „zie- hender Gauner“, wie gelegentlich zu lesen war. [...] Aber es gilt – wie das Wort Neger – als belastet: Wer es in den Mund nimmt, muss damit rechnen, dass ihm über den- HelpStars: Warum ist das Wort „Zigeuner“ ein Schimpf- wort? Rudolf Sarközi: Ich bin im burgenländischen Unter- schützen aufgewachsen wo – wie am Land üblich – viele Familien Vulgo-Namen, also Hausnamen, haben. Der meiner Familie war im ganzen Dorf „Zigeuner“. Ich war immer der „Zigeuner-Rudi“. Darüber habe ich mich schon als Kind geärgert. Wenn wir beschimpft wurden, selben gefahren wird. Jetzt zirkuliert es fast nur noch un- ter Faschisten. Alle anderen setzen es unter Anführungs- zeichen, um nicht in Rassismusverdacht zu geraten. Die Zigeuner haben für sich das Wort „Roma“ durchgesetzt, ein schöner Begriff, sofern er auch wirklich „Menschen“ und nicht bloß „Männer“ bedeutet. Aber ich bin nicht froh über das Verschwinden der Bezeichnung Zigeuner; mir ist nämlich, als hätten die Nazis, die dieses Volk aus- rotten wollten, mit der Namensänderung im Nachhin- ein ihr Ziel erreicht. Außerdem gilt: Auch wer sich zum Lamm macht, wird von den Wölfen gejagt. Ich erinnere an die Sprengstofffalle nahe der burgenländischenKlein- stadt Oberwart, die 1995 vier Menschen das Leben kos- tete. Sie trug ein Schild, auf dem stand: „Roma zurück nach Indien!“ Der Täter hatte sich also der politisch kor- rekten Sprachregelung bedient. dann auch als „Zigeuner“. ImRomanes ( Romanes ist die Sprache der Roma ) gibt es das Wort „Zigeuner“ aber gar nicht. Roma ist Mehrzahl, die männliche Einzahl ist Rom, die weibliche Romni. […] HelpStars: Würden Sie den Begriff auch aus Opern, der Kulinarik oder Gedichten verbannen? Sarközi: Nein, am „Zigeunerschnitzel“ oder dem „Zi- 2 4 6 8 10 12 14 16 2 4 6 8 18 20 22 24 26 28 30 32 10 12 14 16 Aus welchen Gründen ist der Autor skeptisch gegenüber dem politisch korrekten Sprachgebrauch, der die Wörter „Neger“ und „Zigeuner“ vermeidet? vor welchen Erwartungen warnt er? Welche Gründe führt Hackl dafür an, das Wort „Zigeuner“ nicht aufzugeben? Erklären Sie den Begriff „verballhornung“ und gehen Sie mit Hilfe eines etymologischen Wörterbuchs (Kluge, Duden) der Entstehung dieses Wortes nach. wickelt, primitiv, dumm und schlechter sind als Weiße. Diese Zeit ist vorbei und sie soll auch in den Köpfen, in den Begriffen, die die Menschen verwenden, vorbei sein! Aber wie wollen wir genannt werden? Ich will Ellis genannt werden und ich Kelly. Ich bin keine Negerin, sondern Lelise. Wir alle haben Namen und nicht nur Hautfarben. Ich bin eine Afrikanerin, die in Österreich lebt. Und wenn ich Kinder in Österreich be- komme, werden sie Afro-Österreicher/innen sein. Wa- rum Afro-Österreicher/in? Mit dunkler Haut können wir vielleicht nie Österreicher/innen sein. Auch wenn wir Dialekt sprechen, hier geboren sind, in die Schule gehen, arbeiten und noch nie im Leben in Afrika waren, werden uns die Leute trotzdem fragen, woher wir eigent- lich kommen. Wir können uns Österreicher/innen nen- nen, aber die Leute werden vermutlich nicht zufrieden sein. Dann sollen sie uns eben Afro-Österreicher/innen nennen. 44 46 52 54 56 58 58 48 50 (in originaler Schreibung) Fassen Sie die Kritik der Jugendlichen und deren vorschläge für Alternativbenennungen zusammen. Die manchmal schwierige Frage der „korrekten“ Sprache Es ist selbstverständlich, dass diskriminierende Bezeichnungen wie „Nigger“, „Piefke“, „Katzelmacher“ in unserem Wortschatz nichts verloren haben, da sie Ausdruck und Basis eines menschenverachtenden Denkens sind. „Politisch korrekte“ Sprache verzichtet aber auch auf Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“, um jeden Anschein von Missachtung zu vermeiden. Lesen Sie dazu einen Text von Erich Hackl, dessen Bücher immer wieder vom Schicksal missachteter Menschen handeln. Hier ein Ausschnitt aus dem Band „Anprobieren eines Vaters“: UND WAS MEINEN BETROFFENE? In einem Interview mit dem Jugendportal „HelpStars“ äußert sich Rudolf Sarközi, Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma zum Begriff „Zigeuner“. Hier finden sie einen Auszug in Originalschreibung: Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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