Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

131 Analysieren Sie die diskriminierende Sprache und den verhetzenden Inhalt der beiden Briefe. Sprechen Sie in der Klasse darüber, ob diese Sprache nur von bestimmten – und welchen – Gruppierungen verwendet wird oder ob der mit dem „Kolaric-Plakat“ eingeleitete versuch, gegen sprachliche Diskriminierung zu agieren, gescheitert ist. Dieses Scheißheisl nennt sich Österreichisches Lit. Haus aber mit der österr. Lit. hab ihr gar nichts am Hut.!! Ihr hab ja lauter Tschuschen, Juden, Linke (osteuropäische) Trotteln in eurer Sammlung. WO BLEIBT ÖSTERREICH UND DIE ÖSTERREICHI- SCHE LITERATUR??????????????? diese institution ge- hört geschlossen und kein einziger Schilling soll für einen solchen Schwachsinn ausgegeben werden. Volks- verblödung Vertschuschung und lauter grausliche Dinge produziert dieses Institut!!! abschaffen, aber schnell!!!!!“ Was ihr für welche Verbrecher seids, ihr Tschuschen. Irgendwelche Ausländer werden Bei Euch hochgejubelt und gefördert. Natürlich auch finanziell. 100 Millionen werden so irgendwelchen Verbrechern nachgeschmis- sen Von Literatur keine Spur. Für Arschlöcher die ihre Förderer (das Österreichische Volk) verarschen, belü- gen, verblöden, terrorisieren, verraten usw. Denen ge- hört eine Reise geschenkt ohne Rückreise in ein kleines polnisches Städtchen das aber jeden bekannt ist. Dort gehören diese Gfrasta und Sie als Helfer von Verbre- chern hin! schleichts euch. go home!!!!!!“ 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10 EIN PLAKAT, DAS AUFSEHEN ERREGT Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts sorgte in Österreich ein Plakat für hohe Aufmerksamkeit. Es sollte für Toleranz gegenüber den Gastarbeitern werben, den „Tschuschen“, wie sie von vielen abfällig genannt wurden: „I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric. Warum sogns’ zu dir Tschusch?“, fragte ein kleiner Bub einen offensichtlich Fremden. Mehr als 30 Jahre später bekam das Österreichische Literaturhaus in Wien, eine wichtige Plattform für österreichische Gegenwartsliteratur, folgende anonyme Schreiben (in Originalrechtschreibung und -grammatik): WAS JUGENDLICHE ALS SPRACHLICHE DISKRIMINIERUNG EMPFINDEN Die Linzer „Initiative Maiz“ hat ein Projekt zum Thema „Gewalt und Sprache“ gestartet, in dem Jugendliche erläuterten, welche Begriffe und Bezeichnungen von ihnen als diskriminierend empfunden werden: Ausländer/in: Viele Menschen verwenden dieses Wort und viele meinen es vielleicht nicht böse. Für uns be- deutet Ausländer/in genannt zu werden: Fremd sein – Das ist nicht dein Land! Du sollst wieder gehen! Auch wenn du hier geboren bist, wirst du nie dazu gehören! Wir haben diskutiert, wer in Österreich Ausländer/in genannt wird. Stars und Sportler/innen, die in Öster- reich leben und hier arbeiten, aber nicht von hier sind, werden bestimmt nicht so genannt und das ist nicht gerecht. Wir wollen nicht Ausländer/innen genannt werden. Eigentlich wollen wir gar nicht genannt wer- den, aber wenn es schon sein muss, dann sind wir Mi- granten/Migrantinnen! Asylant/in: Auch so ein Wort, das viele Menschen ver- wenden. Wenn wir Asylant/in hören, denken wir an: „Asylschmarotzer/in“; Eigentlich hättet ihr gar nicht nach Österreich kommen müssen. Ihr habt eh keinen Asylgrund! – Der Krieg in Afghanistan ist eh aus. Wieso gehst du nicht zurück? Eigentlich gibt es das Wort Asylant/in gar nicht. Wenn ich Asyl beantragt habe und noch auf die Antwort war- te, ich also noch im Asylverfahren stecke, bin ich Asyl- werber/in. Aber wenn das Verfahren abgeschlossen ist und ich eine positive Antwort bekommen habe, bin ich anerkannter Flüchtling, oder Konventionsflücht- ling, oder Asylberechtigter. Und so wollen wir genannt werden. Das Wort Asylant/in wurde nur erfunden, um Asylwerber/innen und Flüchtlinge als Bedrohung dar- zustellen. So will man den Menschen Angst machen vor der „Asylantenflut“, die kommen wird, vor den kriminellen „Scheinasylanten“, die nur kommen, um Österreich auszubeuten. Für uns ist dieses Wort dis- kriminierend und respektlos. Neger oder Nigger: Auch dieses Schimpfwort hören wir oft. Wir überlegen: Wissen die Menschen, was sie da zu uns sagen? Wissen sie, wie wir uns dann fühlen? Wenn ich das höre, tut mir das sehr weh! Meine Ur- großeltern waren Sklaven/Sklavinnen. Sie hatten keine Rechte und wurden misshandelt. Wenn ich so genannt werde, fühle ich mich wie ein Sklave. Das Wort Neger kommt aus der Zeit von Sklaven-/Sklavinnenhandel und Kolonialismus. Es bedeutet, dass wir unterent- 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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