Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

123 Textmotive bestimmen Ordnen Sie den Texten folgende Schlagwörter zu (Mehrfachzuordnungen möglich): Wirkungen des hereinbrechenden Herbstes auf das lyrische Ich; Verlust der Intimität und (trotzdem) Einsamkeit; bedrückende soziale Verhältnisse; Sehnsucht nach einem Du in einer trostlosen Welt; Todesahnung; Tiere als Metapher für Stimmungen; akustische und visuelle Erlebnisse als Stimmungsauslöser. 9.9 Textkompetenz Literarische Bildung Der Expressionismus (1910−1920) Für den Expressionismus liegt die Aufgabe der Literatur im Protest gegen Adel und Bürgertum, die weitgehend die Politik bestimmen, die zum Ersten Weltkrieg führt und die in den Großstädten soziales Elend, Einsamkeit und Leere produziert. Bloße Beschreibung der Welt, wie im Realismus, oder Rückzug ins Ästhetische, wie im Fin de Siècle, wird abgelehnt. Im Gegensatz dazu wird das Hässliche, etwa bei Gottfried Benn (1886−1956) zu einem wichtigen Thema. Weitere wichtige Motive: die Stadt – besonders bei Georg Heym (1887−1912) – Krieg, Verfall. Skeptisch ist die Literatur auch gegenüber dem technischen Fortschritt, der die sozialen Unterschiede verstärkt. Gleichzeitig wird die Sehnsucht nach einem solidarischen „neuen Menschen“ artikuliert, wie beispielhaft im Drama „Die Bürger von Calais“ von Georg Kaiser (1878−1945). Neben dem Drama ist die Lyrik die favorisierte Gattung. Der Salzburger Georg Trakl (1887−1914) wird vielfach als der herausragende Lyriker des Expressionismus angesehen. Alfred Lichtenstein: Abschied (Kurz vor der Abfahrt zum Kriegsschauplatz) Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht. Still, Kameraden, stört mich nicht. Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt. Oh; heulte mir doch die Geliebte nit. Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein. Die Mutter weint. Man muss aus Eisen sein. Die Sonne fällt zum Horizont hinab. Bald wirft man mich ins milde Massengrab. Am Himmel brennt das brave Abendrot Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot. 2 4 6 8 10 Georg Trakl: Verfall Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen, Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten. Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten Träum ich nach ihren helleren Geschicken Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken. So folg ich über Wolken ihren Fahrten. Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern. Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen. Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, Indes wie blasser Kinder Todesreigen Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen. Else Lasker-Schüler: Weltende Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär, und der bleierne Schatten, der niederfällt, lastet grabesschwer. Komm, wir wollen uns näher verbergen … Das Leben liegt in aller Herzen wie in Särgen. Du, wir wollen uns tief küssen … Es pocht eine Sehnsucht an die Welt, an der wir sterben müssen. 2 4 2 4 6 8 10 6 8 10 12 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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