Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPrACHrAuM 9  Dichten vom Realismus bis zum Expressionismus 122 Formale Strukturen von Texten erkennen; selbst Texte kreieren Bestimmen Sie die sprachlichen Charakteristika des inneren Monologs. Untersuchen Sie dafür den Satzbau (Dominanz der Hauptsätze, Gliedsätze, unvollständige Sätze?), die Satzzeichen, charakteristische Stilmittel und die Sprachebenen („Hochsprache“ …). Schreiben Sie Ihren eigenen inneren Monolog; lassen Sie Ihre Gedanken und Gefühle laufen oder fließen, halten Sie diese schriftlich fest. Vorschläge: innerer Monolog nach einem (schönen oder eher missglückten) Treffen mit Ihrem Freund/Ihrer Freundin; auf der Heimfahrt nach einer überraschend mit „Sehr gut“ bewerteten Schularbeit; auf dem Nachhauseweg von einer Geburtstagparty; in der letzten Deutschstunde vor den Ferien; während einer Radtour; im Liegestuhl an der Meeresküste oder am …see; beim Nachdenken über den beruflichen und persönlichen Weg nach der Matura …; in einer von Ihnen gewählten Situation. a b 9.8 Textkompetenz Literarische Bildung „Der Sturm“, „Aktion“, „Die Revolution“ – der Expressionismus DAS PROGRAMM „Der Sturm“, „Aktion“, „Die Revolution“, „Der jüngste Tag“, „Umsturz und Aufbau“, so lauten die Titel der wichtigsten literarischen Zeitschriften und Buchreihen des Expressionismus. Die Titel zeigen das Programm: Opposition gegen eine Literatur, die sich, wie der Realismus, mit der reinen Beschreibung der Welt begnügt, oder, wie das Fin de Siècle, sich in die Welt der Ästhetik zurückzieht. Die expressionistische Kunst und Literatur richtet sich kritisch gegen die rapiden Veränderungen des Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Ihre Motive sind die Großstädte, rücksichtslose Industrialisierung, Militarismus, die politische Manipulation, mit der Europa in den Ersten Weltkrieg geführt wird, die zerstörerischen Konsequenzen dieses Krieges. Aber auch der hemmungslose technische Fortschritt ist für die Expressionisten fragwürdig. Denn er macht die einen vermögend und drängt die anderen ins Elend. Was soll das für ein „Fortschritt“ sein, der von der mörderischen Gewehrkugel zur noch mörderischeren Granate führt, fragt sinngemäß der Expressionist Gottfried Benn. Gleichzeitig formulieren die Expressionisten ihre Sehnsucht nach einem „neuen Menschen“, der nicht mehr „herzensträge, hart und böse“ ist, sondern solidarisch mitfühlend als „Glied der Gemeinschaft von Brüdern, Freunden, Kameraden“ . Anklage und Appell lassen sich besonders in Lyrik und Dramatik formulieren, den dominierenden Gattungen des Expressionismus. Die wichtigen expressionistischen Motive „Stadt“, „Krieg“, „Sehnsucht“, „Verfall“ werden Ihnen hier präsentiert. Der Salzburger Georg Trakl gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern des 20. Jahrhunderts, für die Literaturwissenschaft ist sein Werk die „exzeptionelle Leistung der expressionistischen Lyrik überhaupt“ . Die Literatur des Fin de Siècle (1890−1920) Charakteristisch für diese literarische und künstlerische Strömung ist die Abkehr von sozialkritischer, politisch engagierter Thematik. Die Literatur hat keine Zwecke außerhalb ihrer selbst; l’art pour l’art-Prinzip. Dieser „Ästhetizismus“, der sich bei Hugo von Hofmannsthal (1874−1929) oder Rainer Maria Rilke (1875−1926) zeigt, findet seine literarischen Vorbilder u. a bei Autoren wie Charles Baudelaire oder Arthur Rimbaud. Rilkes Gedichte wie „Der Panther“ versuchen in dichter, virtuoser Sprache das Wesentliche an Dingen, Ereignissen, Menschen wiederzugeben. Sprachskepsis und die Warnung vor vorschnellem, verallgemeinerndem Sprachgebrauch finden sich bei Rilke und Hofmannsthal. Die Psychoanalyse Sigmund Freuds zergliedert die menschliche Persönlichkeit in Schichten: Es, Ich, Über-Ich; literarische psychologische Analysen finden sich in den Dramen und Erzählungen von Arthur Schnitzler (1862−1931), wie im „Reigen“ oder „Leutnant Gustl“, der den inneren Monolog in die Dichtung einbringt. Karl Kraus (1874−1936) seziert mit Schärfe die kriegerischen und manipulativen Phrasen von Alltagssprache, Medien und Politik. Alfred Wolfenstein: Städter Dicht wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, dass die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte stehn. […] Unsre Wände sind so dünn wie Haut, Dass ein jeder teilnimmt, wenn ich weine. Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle: Und wie stumm in abgeschlossner Höhle Unberührt und ungeschaut Steht doch jeder fern und fühlt: alleine. 2 4 6 8 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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