Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

121 Texten ihre Absichten zuordnen Ordnen Sie die Aphorismen folgenden Themen zu: Sprachkritik, Pressekritik, Kunstkritik, Kritik an vorgetäuschten harmonischen Beziehungen, Kritik am Bildungssystem. Bewerten Sie die Aphorismen: Welchen würden Sie zustimmen, welche ablehnen? Begründen Sie ihre Wertung! 9.7 Textkompetenz Literarische Bildung Das Wort ‚Familienbande‘ hat einen Beigeschmack von Wahrheit. Die Kunst dient dazu, uns die Augen auszuwischen. Die Schule ohne Noten muss einer ausgeheckt haben, der vom alkoholfreien Wein betrunken war. Wenn die Menschheit keine Phrasen hätte, brauchte sie keine Waffen! DER ERFINDER DES „INNEREN MONOLOGS“: ARTHUR SCHNITZLER „LEUTNANT GUSTL“ Der Wiener Leutnant Gustl sitzt in einem Konzert und langweilt sich. Die Karte hat er geschenkt bekommen. Seine Gedanken laufen hin und her zwischen der Musik und dem Geschehen in den Logen. Nach dem Konzert gibt es ein Gedränge, Gustl kommt mit dem Bäckermeister Habetswallner in Streit. Der nennt ihn einen „dummen Buben“ und packt Gustls Säbel, eine Schande für jeden Offizier. Die kann nur durch ein Duell beseitigt werden. Doch der Bäckermeister ist „kein Mann von Stand“ und deshalb nicht „satisfaktionsfähig“. Gustl sieht zur „Wiederherstellung seiner Ehre“ keine andere Möglichkeit, als sich zu erschießen. In einem inneren Monolog werden Gustls Gedanken, Sinneseindrücke, Assoziationen wiedergegeben. Wieviel schlagt’s denn? … 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 … elf, elf … ich sollt’ doch nachtmahlen geh’n! Irgendwo muss ich doch schließlich hingeh’n … ich könnt’ mich ja in irgendein Beisl setzen, wo mich kein Mensch kennt – schließlich, essen muss der Mensch, auch wenn er sich nachher gleich totschießt... Haha, der Tod ist ja kein Kinderspiel ... wer hat das nur neulich gesagt? ... Aber das ist ja ganz egal. […] Ich möcht’ wissen, wer sich am meisten kränken möcht’? … Die Mama, oder die Steffi? … […] – Beim Regiment – kein Mensch hätt’ eine Ahnung, warum ich’s getan hab’ … sie täten sich alle den Kopf zerbrechen … warum hat sich denn der Gustl umgebracht? – Darauf möcht’ keiner kommen, dass ich mich hab’ totschießen müssen, weil ein elender Bäckermeister, so ein niederträchtiger, der zufällig stärkere Fäust’ hat ... es ist ja zu dumm, zu dumm! – Deswegen soll ein Kerl wie ich, so ein junger, fescher Mensch ... Ja, nachher möchten‘s gewiß alle sagen: das hätt’ er doch nicht tun müssen, wegen so einer Dummheit; ist doch schad’! … […] So ein Kerl wie ich, der dasteht und sich einen dummen Buben heißen lässt... morgen wissen’s ja alle Leut’ … das ist zu dumm, dass ich mir einen Moment einbilde, so ein Mensch erzählt’s nicht weiter ... überall wird er’s erzählen ... seine Frau weiß’s jetzt schon … morgen weiß es das ganze Kaffeehaus … […] – Und selbst, wenn er sich vorgenommen hat, er red’t nicht davon, so sagt er’s übermorgen … und wenn er’s übermorgen nicht sagt, in einer Woche … […] So, ich muss es tun, und Schluss! – Was ist weiter dabei? Gustl möchte vor dem Selbstmord noch einmal frühstücken, er geht er in ein Café und erfährt vom Ober Folgendes: „Haben Herr Leutnant schon gehört?“ … „Was denn?“ Ja, um Gotteswillen, weiß der schon was? ... Aber, Unsinn, es ist ja nicht möglich! „Den Herrn Habetswallner …“ Was? So heißt ja der Bäckermeister ... was wird der jetzt sagen? ... Ist der am End’ schon dagewesen? Ist er am End’ gestern schon dagewesen und hat’s erzählt? …Warum red’t er denn nicht weiter? … Aber er red’t ja … „… hat heut’ nacht um zwölf der Schlag getroffen.“ „Was?“… Ich darf nicht so schreien … nein, ich darf mir nichts anmerken lassen … aber vielleicht träum’ ich … ich muss ihn noch einmal fragen … […] „Ist er tot?“ „Na, freilich, Herr Leutnant; auf ’m Fleck ist er tot geblieben.“ O, herrlich, herrlich! – […] Ich glaub’, so froh bin ich in meinem ganzen Leben nicht gewesen … Tot ist er – tot ist er! Keiner weiß was, und nichts ist g’scheh’n! – Und das Mordsglück, dass ich in das Kaffeehaus gegangen bin … sonst hätt’ ich mich ja ganz umsonst erschossen – es ist doch wie eine Fügung des Schicksals … […] Am End’ hat ihn der Schlag getroffen aus Wut […] Die Hauptsach’ ist: er ist tot, und ich darf leben, und alles g’hört wieder mein! … Komisch, wie ich mir da immerfort die Semmel einbrock’, die mir der Herr Habetswallner gebacken hat! Schmeckt mir ganz gut, Herr von Habetswallner! Famos! – So, jetzt möcht’ ich noch ein Zigarrl rauchen … 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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