Sprachräume 3, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

115 Dem Jäger lachte das Herz im Leibe über den prächtigen Handel, den er gemacht. Er stand nun auf, ergriff die Leine […] und fragte: „Wie heißt er denn?“ – „Er heißt wie das, wofür Ihr ihn kriegt: Krambambuli“, lautete die Antwort. – „Gut, gut, Krambambuli! So komm! Wirst gehen? Vorwärts!“ - Ja, er konnte lange rufen, pfeifen, zerren - der Hund gehorchte ihm nicht, wandte den Kopf demjenigen zu, den er noch für seinen Herrn hielt, heulte, als dieser ihm zuschrie: „Marsch!“ und den Befehl mit einem tüchtigen Fußtritt begleitete, suchte sich aber immer wieder an ihn heranzudrängen. Erst nach einem heißen Kampfe gelang es Hopp, die Besitzergreifung des Hundes zu vollziehen. Gebunden und geknebelt musste er zuletzt in einem Sacke auf die Schulter geladen und so bis in das mehrere Wegstunden entfernte Jägerhaus getragen werden. Zwei volle Monate brauchte es, bevor der Krambambuli, halb totgeprügelt, nach jedem Fluchtversuche mit dem Stachelhalsband an die Kette gelegt, endlich begriff, wohin er jetzt gehöre. Dann aber, als seine Unterwerfung vollständig geworden war, was für ein Hund wurde er da […] nicht nur in der Ausübung seines Berufes, sondern auch im täglichen Leben als eifriger Diener, guter Kamerad und treuer Freund und Hüter. Auf nur 12 Seiten komprimiert die Autorin nun tödliche soziale Auseinandersetzungen. Sie schildert den „moralischen“ Konflikt eines Hundes zwischen zwei Menschen, denen er zugehört, und zeichnet den Jäger als einen Menschen, der die Hörigkeit gegenüber den Autoritäten mit Terror gegenüber den ihm Untergebenen kompensiert. Charakteristisch für den Realismus ist, dass die Autorin durch eine tatsächliche Begebenheit zum Schreiben der Novelle angeregt wurde. 2 4 6 8 10 12 Literarische Bildung Mediale Bildung Die kritische Intention eines Textes erfassen und dessen mediale Umsetzung bewerten Befassen Sie sich auf Basis der folgenden Arbeitsanregungen, eventuell als „Klassenlektüre“, vertiefend mit „Krambambuli“: Lesen Sie, falls Sie die Reclam-Ausgabe verwenden, in den „Erinnerungen an Marie von Ebner-Eschenbach“, auf welches tatsächliche Erlebnis die Erzählung zurückgeht. Welcher Konflikt deutet sich bereits beim Hundekauf an – siehe Textausschnitt? Welche sozialen Gruppen kommen im Text vor, durch welche Personen werden sie repräsentiert? Welches Ereignis ist das auslösende Moment für den Mord am Oberförster? Welchen grundlegenden Konflikt erlebt der Hund? Was löst den Tod des „Gelben“ aus? Wo entscheidet sich Krambambulis Schicksal? Schauen Sie die Verfilmung der Erzählung an (DVD; Drehbuch Felix Mitterer; mit Tobias Moretti). Welche Unterschiede zur Erzählung stellen Sie fest? Ziehen Sie den Film oder die Erzählung vor? Begründen Sie Ihr Urteil! 9.1 Der poetische Realismus 1850−1900 ƒƒ Das Scheitern der Revolution von 1848 führt in der Literatur zur weitgehenden Abwendung von revolutionären Tendenzen. Die politischen Verhältnisse werden als nicht oder kaum veränderbar empfunden. Programm der Literatur wird die ‚verklärende‘ Darstellung der Wirklichkeit, was nicht Idyllisierung bedeutet, aber den Abstand zwischen ‚nackter’ Realität und Literatur betonen will. Diesen Abstand soll auch der für manche Autoren, wie Wilhelm Busch (1832−1908), charakteristische, manchmal makabre Humor („Max und Moritz“) herstellen. ƒƒ Drei Gruppierungen lassen sich geographisch bestimmen: Österreich – Ferdinand von Saar (1833−1906), Marie von Ebner-Eschenbach (1830−1916), Peter Rosegger (1843−1918) – , Schweiz – Gottfried Keller (1819−90), Conrad Ferdinand Meyer (1825−98) –, Norddeutschland – Theodor Fontane (1819−98), Theodor Storm (1817−88). Saar bringt in den „Steinklopfern“ eine der ersten Darstellungen der Arbeitswelt des 19. Jahrhunderts; Kritik an allen Formen von Autoritätsgehabe bringt Ebner-Eschenbach in ihren Erzählungen, wie „Krambambuli“ oder „Er lässt die Hand küssen“; Roseggers großes Thema sind die Veränderungen von Sozialgefüge und Natur durch die Industrialisierung. Gottfried Kellers Erzählungen und Novellen („Romeo und Julia auf dem Dorfe“) schildern häufig den Konflikt zwischen dem Einzelnen und den wirtschaftlichen Verhältnissen. Fontanes Romane, wie „Effi Briest“, nehmen oft ein besonders aktuelles Thema der Zeit auf: die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Storm schildert in der Novelle „Der Schimmelreiter“ den Kampf zwischen Mensch und Meer, um durch Eindeichung, den Bau von Dämmen, sicheres Land zu gewinnen. Ferdinand von Saar: „Die Steinklopfer“ Die Härte der Arbeitsbedingungen beim Bau der Semmeringbahn Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Thema von Saars bekanntester Novelle. Es waren „Tausende und Abertausende von Menschen, welche im Schweiße ihres Angesichts, allen Gefährlichkeiten preisgegeben, Felsen gesprengt, Steinblöcke gewälzt, Abgründe überbrückt und so […] jene Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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