Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

97 Botho Strauß: „Paare, Passanten“ „Paare“, so heißt das erste Kapitel in Botho Strauß’ Band „Paare, Passanten“, einem 1981 entstandenen Werk, in dem der Autor seine Beobachtungen aus dem täglichen Leben wiedergibt: Paare, wie man sie in Restaurants beobachten kann, diskutierende, verliebte, streitende oder einander gleichgültig gewordene. In mehr als 100 kurzen Skizzen schildert der Autor Alltagsszenen wie die beiden folgenden. Textkompetenz Literarische Bildung Text 1 In einem Restaurant erhebt sich eine größere Runde von jungen Männern und Frauen. Es ist bezahlt wor- den, und alle streben in lebhafter Unterhaltung dem Ausgang zu. Doch eine Frau ist sitzen geblieben am Tisch und sinnt dem nach, was eben an Ungeheuerli- chem einer gesagt hat. Die anderen stehen bereits im Windfang des Lokals, da kommt ihr Mann zurück. Er hat, kurz vor demAusgang, bemerkt, dass ihm die Frau fehlt. Aber da steht sie auch schon auf und geht an ihm vorbei durch beide Türen. Text 2 Der Einsamkeits-Kasper, der seinen äußeren An- schein, allein dazusitzen am Restauranttisch, kaum ertragen kann, mehrmals geschäftig und steif zum Buffet läuft und den Telefonapparat zurechtrückt, um schließlich seine eigene Nummer zu Haus zu wählen, der in seinem leeren Zuhaus anruft und so, mit dem Hörer in der Hand und der Miene gewichtiger Erwar- tung auf dem Gesicht, sich gewappnet und beschäftigt genug fühlt, um die Leute, die paarweise im Restau- rant sitzen und von denen er sich niedergestarrt fand, ringsum ins Auge zu fassen, der nach einigen Minuten mit einem gekünstelten Seufzer der Enttäuschung den Hörer wieder auflegt und zu seinem Tisch zurück- kehrt. 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10 12 Textsorten und ihre strukturellen Merkmake erkennen; die Intention von Texten analysieren; Bezüge zwischen Texten herstellen Zu Text 1 und Text 2: Welcher epischen Gattung würden Sie die beiden Texte zuordnen? Beschreiben Sie diese für das Werk von Botho Strauß charakteristischen Texte, indem Sie die richtigen Behauptungen unterstreichen: Es handelt sich um fragmentarisch-offene – abgeschlossene Texte. Die Figuren laden zur Identifikation ein – sind keine Identifikationsfiguren. Die Personen richten sich nach Einflüssen von anderen. – Die Figuren handeln autonom und erfahren Wertschätzung. Der Autor beschränkt sich auf die Darstellung individueller und gesellschaftlicher Verhaltensweisen. – Der Autor formuliert einen Appell zur Änderung gesellschaftlicher Zustände. Das Geschehen muss vom Leser gedeutet werden. – Der Autor bietet Deutung und Botschaft an. Zu Text 1: Erläutern Sie, wie sich Erzählzeit und erzählte Zeit zueinander verhalten! Gliedern Sie das Geschehen in zeitliche Etappen. Welche Personengruppen bestimmen das Geschehen? Beschreiben Sie die Reaktion der Frau. Erzählen Sie das Geschehen in Ich-Form entweder aus der Sicht der Frau, des Mannes oder einer der übrigen Personen. Überlegen Sie, wie sich das zukünftige Verhältnis zwischen der Frau und dem Mann gestalten könnte. Zu Text 2: Analysieren Sie den Begriff „Einsamkeits-Kasper“: Welche Verhaltensweisen des Einsamen lässt der zweite Teil des Begriffs vermuten? Bestätigen sich diese Vermutungen? Welche Veränderung geht im „Einsamkeits-Kasper“ durch seine gespielten Telefongespräche vor? Beschreiben Sie das Charakteristische am Satzbau dieses Textes. Definieren Sie in einem kurzen Satz den „Einsamkeits-Kasper“: Ein „Einsamkeits-Kasper“ ist jemand, der … Was ist offenbar das gesellschaftlich „Normale“ in einem Restaurant? Welches Wort (2. Partizip!) zeigt, wie die „Paare“ im Restaurant den „Einsamkeits-Kaspar“ an seinem Tisch bewerten? Aus welchem Begriffsfeld stammt der Ausdruck „sich gewappnet fühlen“? Welches „technische Detail“ hätte sich wohl geändert, wäre der Text im 21. Jahrhundert entstanden? Drehen Sie die Rollen um: Vorschlag 1: Ein Teil eines Paares im Restaurant denkt: „Ach, der da an seinem Tisch, dem geht es gut, der muss keinen Geschäftspartner/keinen missmutigen Mann/keine missmutige Frau … unterhalten …“ Schreiben Sie dazu einen kurzen inneren Monolog eines „Paarteils“. Vorschlag 2: Eine außergewöhnlich schöne Frau geht auf den Einsamkeits-Kasper zu: „Danke für Deinen Anruf, lieber … .“ Schreiben Sie einen Kurzdialog des Paares vom Nachbartisch des ehemaligen „Einsamkeits- Kaspars“. 8.1 a b c Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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