Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 8 Die Epik 96 Von Restaurantbesuchen, Telefongesprächen, Witzen und Weichenstellern – Was alles erzählt werden kann Epische Texte sind die am häufigsten gelesenen dichterischen Werke. Abenteuer, gesellschaftliche Auseinander- setzungen, seelische Probleme finden in erzählenden Texten genauso Platz wie Liebesromanzen, Katastrophen, Gespenster- und Gaunergeschichten. Wenn in den Medien literarische Texte diskutiert werden, handelt es sich meist um Romane und Erzählungen. Auch die großen Buchpräsentationen des deutschen Sprachraums, wie die Frankfurter und die Leipziger Buchmesse, werden von erzählenden Werken dominiert. Sechs epische Texte aus dem 20. und 21. Jahrhundert bieten Ihnen Lese- und Deutungsgelegenheiten. Denn die Autorinnen und Autoren von literarischen oder auch wissenschaftlichen Texten wollen Leserinnen und Leser, und die Autoren sind auf die Interpretationen ihres Lesepublikums gespannt. Dies unterstreicht zum Beispiel der als Literaturwissenschafter und als Autor von literarischen Texten, wie dem mit großem Erfolg verfilmten Mittelalter- romankrimi „Im Namen der Rose“, weltweit bekannte Italiener Umberto Eco. In seiner „Nachschrift zum Namen der Rose“ versucht Eco, den in der Kultur des Mittelalters weniger bewanderten Leserinnen und Lesern einen Zugang zu seinem Roman zu eröffnen. In dieser „Nachschrift“ formuliert Eco auch die Erwartung der Autoren und Autorinnen an das Lesepublikum und die Freude daran, wenn die Leserinnen und Leser in einem Text Entdeckungen „erlesen“, an die der Autor selbst nicht gedacht hat: „Nichts ist erfreulicher für den Autor eines Romans, als Lesarten zu entdecken, an die er selbst nicht gedacht hatte und die ihm von Lesern nahegelegt werden. Als ich theoretische Werke schrieb, war meine Haltung gegenüber Kritikern die eines Richters: Ich prüfte, ob sie mich verstanden hatten, und beurteilte sie danach. Mit einem Roman ist das ganz anders. Nicht dass man als Romanautor keine Lesarten finden könnte, die einem abwegig erscheinen, aber man muss in jedem Fall schweigen und es anderen überlassen, sie anhand des Textes zu widerlegen. Die große Mehrheit der Lesarten bringt jedoch überraschende Sinnzusammenhänge ans Licht, an die man beim Schreiben nicht gedacht hatte.“ Textkompetenz Literarische Bildung Maturatextsorte: Erörterung Die Epik Welche Bandbreite an Themen die Epik haben kann und wie epische Texte gedeutet werden können, darüber informiert Sie dieses Kapitel. Diese erzählenden Texte zeigen Ihnen Konflikte, denen Menschen ausgesetzt sind, die sie meistern, an denen sie scheitern oder die ungelöst bleiben. ru8dh6 SPRACHRAUM 8 Der „Epik-Erinnerungskasten“ Epische Texte werden unterteilt in Langformen , wie Roman oder Novelle, und Kurzformen , wie Anekdote, Fabel, Märchen, Erzählung, Kurzgeschichte. Manchmal spricht man auch von epischen Groß- und Kleinformen . Was das Verhältnis von Erzählzeit – der Zeitspanne, die Sie zum Lesen brauchen –, und erzählter Zeit – der Zeitspanne, die im Text erzählt wird –, betrifft, so wird unterschieden zwischen zeitdeckendem, zeitraffendem und zeitdehnendem Erzählen. Erzählt werden kann aus verschiedenen Perspektiven , als Ich-Erzählung, als personales Erzählen aus der subjektiven Sicht einer Person oder auktorial, als „allwissender“, alle Fäden des Geschehens in der Hand haltender, in Vergangenheit und Zukunft blickender Erzähler, der das Geschehen oft auch analysiert und kommentiert. ur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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